Tony Martin: „Trotz-Attacke auf dem falschen Rad“
Cambrai (dpa) - Fragen an Radprofi Tony Martin nach seinem Etappensieg in der „Hölle des Nordens“, mit dem er zum ersten Mal in seiner Karriere das Gelbe Trikot der Tour de France eroberte.
War die siegbringende Attacke 3,3 Kilometer vor dem Ziel von langer Hand geplant oder eine Entscheidung des Augenblicks?
Martin: Nein, das habe ich so im Moment entschieden. Ich habe alles auf eine Karte gesetzt, alles riskiert und habe die anderen ein bisschen überrascht. Eigentlich war ich da schon am Limit und hatte mir nicht viel Chancen gegeben.
19 Kilometer vor dem Ziel mussten sie das Rad wechseln und sind auf die Maschine Ihres Teamkollegen Matteo Trentin umgestiegen - was war passiert ?
Martin: Ja, das war so eine Trotz-Attacke auf dem falschen Rad. Nach dem ganzen Pech der letzten Tage, an denen ich immer knapp am Gelben Trikot vorbeigefahren war, wollte ich es heute unbedingt wissen und alle im Team haben ihre eigenen Chancen zurückgesteckt. Trentin hat sein Rennen für mich durch den Radwechsel beendet. Nach meinem Platten musste alles ganz schnell gehen. Alle im Team haben 100 Prozent gegeben, um den Traum wahr werden zu lassen.
Wie sind Sie auf dem für Sie ungewohnten Rad zurecht gekommen?
Martin: Ich musste höllisch aufpassen, weil keiner im Team außer Renshaw die Bremsen andersherum montiert hat - so wie ich.
Was bedeutet dieser Doppelsieg für Sie, nachdem Sie in den vergangenen Tagen mit jeweils wechselnden Sekunden-Abständen zum Gelben Trikot schon fast zur tragischen Figur geworden waren?
Martin: Ich bin so glücklich. Das ist mein schönster Tag bei der Tour de France. Es war mein Ziel, das Gelbe Trikot zu holen. Jetzt habe ich es. Ein unglaubliches Gefühl. Im Ziel ist alles von mir abgefallen. Wir haben in den letzten Tagen zusammen gekämpft und verloren, heute haben wir alle zusammen an den Sieg geglaubt. Das ist eine supertolle Story. Ich werde Stunden oder Tage brauchen, um das zu realisieren.
Wie schwer waren die letzten Tage für Sie?
Martin: Ich hatte so viel Pech, auch heute wieder, aber ich habe nie aufgegeben. Das ganze Pech hat mich nur noch mehr motiviert. Ich war noch stark im Kopf und hatte noch ein wenig Power in den Beinen.