UCI vor Urteils-Ratifizierung gegen „Redner“ Armstrong
Berlin (dpa) - Lance Armstrong ließ sich feiern. Scheinbar unberührt von der öffentlichen Demontage genoss der Texaner in Austin mit Freunden und Hollywood-Stars die Jubiläumsgala für seine Krebsstiftung „Livestrong“ - dabei steht ihm der nächste Schlag ins Kontor bevor.
Der Radsport-Weltverband UCI wird am Montag in Genf seine Strafen gegen den 41-Jährigen bekanntgeben und will das Urteil der US-Anti-Doping-Agentur USADA bestätigen. Alles andere als die Übernahme der lebenslangen Sperre gegen Armstrong und die Aberkennung der sieben Tour-de-France-Siege von 1999 bis 2005 wäre eine Sensation.
Die Indizienkette der USADA gegen den einstigen Rekordsieger und der öffentliche Druck auf die selbst höchst umstrittene UCI sind zu stark. Außer der - allseits erwarteten - Ratifizierung des USADA-Urteils bliebe der Dachorganisation nur noch der Gang vor den Internationalen Sportgerichtshof CAS. Damit würde die Entscheidung im Fall des 2010 zurückgetretenen Armstrong um weitere Monate vertagt.
Der „Weltrekord-Doper“ (New York Daily News) gab sich bei seinem ersten Auftritt nach der Veröffentlichung des für ihn verheerenden USADA-Dossiers wieder mal als „Mister Cool“ und verlor kein Wort über seine Vergangenheit als vermeintlicher Doper. Die 1000-seitige Anklageschrift gegen Armstrong und seine Helfer hatte in der vergangenen Tagen heftige Erschütterungen ausgelöst: Der gestürzte Rad-Held verlor den Großteil seiner Finanziers, Ex-Fahrer gestanden Doping, Levi Leipheimer verlor seinen Job, der Großsponsor Rabobank zog sich zurück, und im australischen Verband wurde die Spitze der Funktionäre neu geordnet.
Die miesen Aussichten scheinen den gestrauchelten Armstrong nicht weiter zu belasten. Eine Beichte, wie sie USADA-Kronzeuge Tyler Hamilton erwartet, gilt als ausgeschlossen. In einer Rede zur 15-jährigen Jubiläumsgala seiner Krebsstiftung „Livestrong“ streifte Armstrong das Thema lediglich: „Das waren schwierige Wochen für mich, meine Familie, meine Freunde und die Stiftung.“
Vor rund 1500 Gästen in seiner texanischen Heimatstadt Austin - unter ihnen die bekannten US-Schauspieler Robin Williams und Sean Penn - meinte der vom Krebs geheilte Radprofi: „Wir lassen uns nicht entmutigen, wir werden weitermachen.“ Den Anhängern, die ihn mit langen Ovationen feierten, rief Armstrong am Ende seiner Rede zu: „Lassen wir es heute Nacht ordentlich krachen!“
Zwei Tage vor der feierlichen Präsentation der Strecke der 100. Tour de France am Mittwoch im Palais des Congrès in Paris will die UCI Fakten schaffen. Nach Aberkennung der sieben Tourtitel könnte die Zeit von 1999 bis 2005 zur „Schwarzen Ära“ erklärt und keine Nachrücker bestimmt werden. Zu peinlich wäre die Auseinandersetzung um mögliche Toursieger am Grünen Tisch. Gegen alle acht Profis, die in der fraglichen Zeit hinter Armstrong das Podium in Paris besetzten, war zumindest wegen Dopings ermittelt worden. Die meisten waren oder sind gesperrt, wie beispielsweise Olympiasieger Alexander Winokurow (Dritter 2003) und der dreifache Armstrong-Vize Jan Ullrich.
Die aberkannten Toursiege von Floyd Landis (2006/Nachrücker Oscar Pereiro) und Alberto Contador (2010/Andy Schleck) verdeutlichen zusätzlich, wie sportlich fragwürdig das Saisonereignis Nummer eins längst geworden ist. Trotzdem werden sich die Tour-Verantwortlichen, die Armstrong bei seinem Comeback 2009 mit offenen Armen empfingen und berechtigte Bedenken der französischen Anti-Doping-Agentur AFLD vom Tisch wischten, die Feierlaune vermutlich nicht trüben lassen.
Aus Lausanne heißt es, das Internationale Olympische Komitee IOC prüfe derzeit die möglichen Verflechtungen des UCI-Chefs Pat McQuaid in die Affäre. Sein Vorgänger Hein Verbruggen, in dessen Ära das vermeintliche Armstrong-Doping fiel, dürfte als Intimus von IOC-Präsident Jacques Rogge unbehelligt bleiben.
IOC und Sponsoren müssten jetzt Druck auf die UCI-Spitze ausüben, hatte zuletzt die Sportbeauftragte der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International, Sylvia Schenk, gefordert. „Von den Tour-Verantwortlichen ist wenig zu erwarten“, hatte die ehemalige deutsche Verbandspräsidentin erklärt, „die sitzen ja selbst mit im Boot.“