Raelert: „Auf den Kopf kommt es an“
Kailua Kona (dpa) - Wenn über die Favoriten für den Ironman auf Hawaii gesprochen wird, fällt in diesem Jahr immer wieder der Name Andreas Raelert. Der Triathlet aus Rostock gibt sich vor dem Start der Langstrecken-WM am 8. Oktober in Kailua Kona aber bescheiden.
Für den 35-Jährigen ist die mentale Stärke der Faktor, der über Sieg und Niederlage entscheidet. „Neben mir gibt es Unzählige, die die gleichen Träume, die gleichen Ziele haben und physisch in der gleichen Verfassung sind, so dass alles am Renntag auf den Kopf ankommt“, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.
Raelert hatte 2010 nach einem Duell mit dem Australier Chris McCormack den Sieg auf Hawaii knapp verpasst, ein Jahr zuvor war er Dritter geworden. Im Juli dieses Jahres erzielte er bei der Challenge in Roth in 7:41:33 Stunden die Weltbestzeit über die Langdistanz (3,86 Kilometer Schwimmen, 180,2 Kilometer Radfahren, 42,195 Kilometer Laufen).
Was macht die Faszination Ironman Hawaii aus?
Raelert: „Hawaii ist auch für mich ein gewisser Mythos. Er war der Grund, warum ich mit dem Triathlonsport angefangen habe. Es war 1993, als ich im Fernsehen eine Dokumentation über die Ironman-Weltmeisterschaft gesehen habe. Das hat mich so fasziniert, es hat mich fortan nicht mehr losgelassen. Die Ironman-WM auf der Langstrecke ist die größtmögliche sportliche Herausforderung. Und es ist für einen Sportler ein ungeheurer Reiz, sich mit den Besten der Besten der Welt zu messen. Diese Kombination ist sehr reizvoll.“
Was ist die größte Herausforderung bei dem Rennen auf Hawaii?
Raelert: „Hawaii hat spezielle Herausforderungen: die extreme Hitze, die starken Windverhältnisse und das anspruchsvolle Profil sind auf der einen Seite sehr schwierig. Auf der anderen Seite findet der schwierigste Teil im Kopf statt. Speziell auf Hawaii und auch bei jeder anderen Langstrecke gibt es Phasen, wo der Körper versucht, zu rebellieren. Dann ist der Kopf gefordert. Genau in diesen Phasen wird über Sieg oder Niederlage entschieden.“
Wie bereitet man sich auf solche Phasen vor?
Raelert: „Diese Phasen versucht man, im Training zu simulieren. Man setzt sich bewusst Trainingsreizen aus, versucht den Körper an eine Belastungsgrenze zu fahren, wo man vom Kopf her hart arbeiten muss. Speziell auf Hawaii ist es in der zweiten Rennhälfte so, speziell beim Marathon, dass der Körper an seine Belastungsgrenze fährt, die Energiereserven fast aufgebraucht sind. Dann versucht man zu visualisieren, keine negativen Gedanken aufkommen zu lassen. Denn die sind unweigerlich da. Der Körper meldet: Es geht nicht mehr weiter. In solchen Situationen muss man einfach weitermachen. Denn es geht allen anderen im Feld genauso. Das zu akzeptieren beziehungsweise vom Kopf her daran zu arbeiten ist der entscheidende Punkt.“
Wie gehen Sie mit Ihrer Favoritenrolle um?
Raelert: „Ich fühle mich geehrt und bin stolz, dass ich zu den Favoriten gezählt werde. Ich nehme es als Motivation mit in das Rennen. Die große Erwartungshaltung hat man aber auch an sich selbst. Die Tagesform wird entscheidend sein. Neben mir gibt es Unzählige, die die gleichen Träume, die gleichen Ziele haben und physisch in der gleichen Verfassung sind, so dass alles am Renntag auf den Kopf ankommt. Ich hoffe, ich bin darauf vorbereitet.“
Wen zählen Sie zu den „Unzähligen“, die auch Sieganwärter sind?
Raelert: „Da sind die Deutschen mit Jan Raphael, Timo Bracht, Faris Al-Sultan. Auch mit meiner Wenigkeit. Wir sind eine starke deutsche Fraktion. Die Australier mit Craig Alexander zählen dazu. Auch Marino Vanhoenacker, der mit der Zeit von 7:45 Stunden in diesem Jahr und seinem dritten Platz hier im letzten Jahr gezeigt hat, dass er alle schlagen kann. Also es ist ein qualitativ sehr hohes Feld. Da Prognosen abzugeben fällt sehr schwer, weil man zwangsläufig jeden erwähnen kann. Unter den besten 15 wird es die geringsten Zeitabstände geben, die es jemals in der Geschichte gegeben hat.“
Ihr Ziel, in Hawaii mit Ihrem Bruder gemeinsam auf dem Podium zu stehen, muss wegen der Verletzung von Michael verschoben werden. Welche Rolle spielt er in Ihrer Vorbereitung und während des Rennens?
Raelert: „Er hat mich in der Trainingsphase sehr stark unterstützt. Michael motiviert mich, baut mich auf, spricht mir Mut zu. Das ist unheimlich hilfreich. Im Rennen muss man sich auf eine Person tausendprozentig verlassen. Man bekommt so viele Informationen über Zeitrückstande, darüber, wie der Rennverlauf sich entwickelt. Das kann man nicht alles filtern. Michael weiß genau, was er mir zu sagen hat. Er schaut mir in die Augen und weiß, wie ich mich fühle. Es wird sicher der Fall eintreten, dass ich in Schwierigkeiten gerate. Dass Michael dann da ist und mich aufbaut, ist von entscheidender Bedeutung. Das hat er schon im letzten Jahr gezeigt. Er hat einen maßgeblichen Anteil an dem, was am Samstag da steht.“