Große Bühne für Totilas: Bei Dressur-EM im Blickpunkt
Aachen (dpa) - Die große Bühne durfte Totilas schon einmal kennenlernen. Auf der CHIO-Anlage in Aachen trainierte das einstige Wunderpferd mit seinem Reiter Matthias Rath und den anderen drei deutschen Dressur-Paaren im Hauptstadion.
Die 40 000 Zuschauer fassende Arena ist ein angemessener Rahmen für ein Pferd, das zwar nicht mehr zu den allerbesten weltweit zählt, aber noch immer ein Dressur-Star auf vier Beinen ist. Wieder werden viele Blicke in dieser Woche auf den mittlerweile 15 Jahre alten Hengst und seinen Reiter gerichtet sein. „Ich bin einfach nur glücklich, dass er so fit ist“, sagte Rath.
Der Auftrag des Paares mit bewegter und bewegender Vergangenheit: Es soll mithelfen, gemeinsam mit Kristina Bröring-Sprehe auf Desperados, Isabell Werth auf Don Johnson und Jessica von Bredow-Werndl auf Unee am Mittwoch und Donnerstag den Team-Titel erfolgreich zu verteidigen. „Die deutsche Mannschaft tritt als Titelverteidiger an und dann auch noch im eigenen Land. Da ist die eigene Erwartungshaltung natürlich hoch“, weiß auch Rath.
Vor allem auch an ihn und das teuerste Dressur-Pferd der Welt sind die Erwartungen hoch. Aachen ist möglicherweise die letzte Chance, in der Schlussphase des seit Ende 2010 laufenden und lange kritisch beäugten Projekts Rath/Totilas doch noch wenigstens einen internationalen Titel zu holen.
Denn bislang ist ihre Partnerschaft mehr eine Leidens- als eine Erfolgsgeschichte: 2010 hatte Paul Schockemöhle Totilas für geschätzte zehn Millionen Euro gemeinsam mit Raths Stiefmutter Ann-Kathrin Linsenhoff aus den Niederlanden gekauft. Was folgte, waren mehr unfreiwillige Pausen als Wettkampfzeiten. Dazu ständige Diskussionen über die umstrittenen Methoden von Totilas-Trainer Sjeff Jansen.
Der letzte große und siegreiche Wettkampf war vor einem knappen Jahr beim CHIO in Aachen. Wenige Wochen zuvor war das Comeback nach zweijähriger Auszeit gelungen. Kurz nach dem Aachen-Auftritt 2014 kam das Aus für die WM in der Normandie.
Nun ein neuer Anlauf: Zur Freude von Bundestrainerin Monica Theodorescu meldete sich das Duo im Juni nach fast einem Jahr zurück. „Wir haben uns bewusst viel Zeit gelassen“, meinte Rath. Beim Nationenpreis-Turnier im Juli in Hagen bei Osnabrück lieferten die beiden im Rahmenprogramm mit zwei überzeugenden Siegen den Nachweis für ihre EM-Tauglichkeit.
„Der Eindruck ist sehr, sehr gut. Totilas ist in sehr guter Verfassung“, sagte Bundestrainerin Theodorescu vor dem EM-Start. Rath und der charismatische Hengst sind Hoffnungsträger im Kampf gegen schärfsten Konkurrenten um den Team-Titel aus Großbritannien und den Niederlanden. Sie sollen die Lücke schließen, die durch das Auseinanderbrechen der lange Zeit besten deutschen Kombination Helen Langehanenberg/Damon Hill entstanden ist.
Der Hype, der nun wieder um Totilas gemacht wird, stört sie und ihre Equipe nicht. „Wahrgenommen ja, aber es kratzt uns nicht“, meinte die Bundestrainerin. Vielmehr fiebert sie dem EM-Start entgegen: „Es kann jetzt auch losgehen. Es sind alle gut in Form.“
Den Status als Nummer eins in der Welt hat Totilas längst verloren. Auch in der deutschen Mannschaft ist Kristina Bröring-Sprehe mit Desperados vorn. Die Team-Weltmeisterin und ihr 14-jähriger Hengst blieben bei zwölf Starts in diesem Jahr ungeschlagen.
Ihren beiden Spitzen-Paaren traut Theodorescu zumindest Medaillen in den Einzelwettbewerben am Wochenende zu. „Desparados ist aber noch einen Schritt weiter als Totilas“, sagte sie.
Von Einzel-Titeln spricht niemand im deutschen Lager. Diese scheinen für die britische Doppel-Olympiasiegerin und Weltmeisterin Charlotte Dujardin und Valegro reserviert zu sein. Der 13 Jahre alte Wallach hat bei den Fans schön längst einen ähnlichen Star-Status wie Totilas erreicht.