Kutschers schwerer Abschied: Neustart nach 14 Jahren
Aachen (dpa) - Wie schwer der Abschied gefallen ist, merkt man Marco Kutscher deutlich an. 14 Jahre sind eine lange Zeit, und im Fall von Kutscher war es auch eine besonders prägende und äußerst erfolgreiche.
Als Angestellter von Ludger Beerbaum entwickelte sich der Ostfriese zu einem Weltklasse-Reiter, gewann bei EM und DM Gold, war bester Deutscher bei den Olympischen Spielen in Athen. Doch jetzt hat Kutscher einen Schnitt gemacht und muss sich ohne Unterstützung des wohl professionellsten Springsport-Stalls der Welt durchschlagen.
Halb zog sie ihn, halb sank er hin: Gemeinsam mit seiner Freundin Eva Bitter betreibt der 39-Jährige seit Beginn des Monats in Bad Essen bei Osnabrück einen eigenen Turnierstall. „Das war schon schwer“, sagt Kutscher: „Wenn man sich nicht wohlfühlt, bleibt man ja nicht so viele Jahre.“ Bei der Abschlussparty in Riesenbeck „hatte ich schon einen Kloß im Hals“.
„Er war für mich viel mehr als nur ein Angestellter“, sagt Ludger Beerbaum. Wie eng das Verhältnis war, ließ sich am intensivsten bei Kutschers bisher größtem Erfolg beobachten. Als er 2005 bei der EM im italienischen San Patrignano Doppel-Gold mit Montender gewann, saß Kutscher auf einem Pferd, das zur Hälfte Beerbaum gehörte. Und der Boss ritt selber nicht mit, weil er kein anderes Pferd hatte. Stattdessen fieberte Beerbaum mit, half als Coach und jubelte am lautesten über Kutschers goldene Medaillen. „Das macht nicht jeder Chef, dass er einem das Pferd nicht wegnimmt“, stellte Kutscher damals fest.
Jetzt ist Kutscher selbstständig. Erstmals startet er in dieser Woche beim größten Reitturnier der Welt in Aachen nicht als Beerbaum-Angestellter. „Da ist viel Spannung und Aufregung dabei“, gibt er zu. Er glaubt nicht, „dass ich nahtlos anknüpfen kann“.
Vor allem muss sich Kutscher nun ohne Beerbaums Rückendeckung und Unterstützung um den Pferdekauf kümmern. Wie gut der Kontakt trotz der Trennung ist, lässt sich auch daran ablesen, dass er drei Pferde aus Beerbaums Stall mitnehmen durfte, darunter den talentierten Liberty Son. Ein bisschen hofft Kutscher, dass er mit dem Pferd noch zur WM fährt. „Das hängt von dieser Woche ab“, meint Kutscher.
„Ich bin gespannt, wie sie sich schlagen“, sagt Bundestrainer Otto Becker. An der reiterlichen Klasse besteht ohnehin kein Zweifel. „Er ist einfach ein Top-Jockey“, schwärmt Becker, der gemeinsam mit Kutscher unter anderem olympisches Edelmetall gewann.
Eine erfolgreiche Reiterin ist auch Eva Bitter, mit der Kutscher seit neun Jahren liiert ist. „Wir wollen nicht mehr so viel im Auto sitzen“, erklärt die Freundin den Sprung in die gemeinsame Zukunft. Dafür steckt eine der besten deutschen Reiterinnen selber zurück. „Wenn ich ihm mit Pferden aus meinem Beritt helfen kann, dann werde ich es tun“, sagt die 40-Jährige. Die sechsmalige deutsche Meisterin weiß: „Beruflich steht und fällt alles damit, welche Pferde man hat.“ Bitter, die selber auch schon mehrfach in Aachen geritten ist, verzichtet im Zweifelsfall: „Dass ich nicht in der allerhöchsten Klasse reiten kann, macht mir nichts.“ Zum diesjährigen CHIO kommt sie am Wochenende nur als Zuschauerin - und als größter Kutscher-Fan.