Pferdehandel vor Olympia: „Der Markt explodiert“

Hannover (dpa) - Dem deutschen Reitsport stehen bis Silvester noch ein paar unruhige Tage bevor. Die Verantwortlichen in Warendorf müssen den Verlust weiterer Top-Pferde fürchten, allein vier heiße Olympia-Kandidaten sind im letzten halben Jahr schon verkauft worden.

„Wenn wir noch mehr verlieren, kommen wir ins Schwitzen“, sagt Dennis Peiler von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) - und schiebt nach: „Derzeit explodiert der Markt.“ „Am 31. Dezember schließt das Transferfenster“, erklärt Peiler, der im kommenden Jahr Equipe-Chef in London sein wird. Bis zu diesem Stichtag muss im Pferdepass die Nationalität für einen möglichen Olympiastart festgelegt sein.

„Da sind einige, bei denen das Telefon Sturm geklingelt hat“, berichtet Otto Becker, der Trainer der deutschen Springreiter. „Zum Glück ist bisher keiner verkauft. Wir hoffen, dass es nicht auf den letzten Drücker noch passiert.“

Die Millionen locken jedoch und mildern den Schmerz einer verpassten Olympia-Teilnahme. So verkaufte der Dressurreiter Christoph Koschel sein Weltklasse-Pferd Donnperignon, das nun von der dänische Reiterin Anna Kasprzak geritten wird. „Im Endeffekt sind wir Profis, und der Gedanke, meine Familie abzusichern, war mir auch sehr wichtig“, erklärt der Reiter. Koschel, zuletzt bei EM und WM fester Bestandteil der Nationalmannschaft, hat nun kein Pferd für London.

Dressur-Bundestrainer Holger Schmezer hat zum einen Verständnis für den Verkauf. Er ärgert sich andererseits trotzdem, weil mit Dänemark „auch noch die unmittelbare Konkurrenz gestärkt wird“. Viel schlimmer hat es aber seinen Kollegen Hans Melzer getroffen: Das Vielseitigkeits-Team verlor drei potenziellen London-Starter.

Zunächst verkaufte Andreas Dibowski seinen Leon, mit dem er 2008 Team-Olympiasieger war, an die für Thailand startende Nina Ligon. Wenige Tage später teilte Kai Rüder dem Bundestrainer mit, dass er Charlie Weld an Julian Stiller aus den USA veräußert habe. Und vor kurzem wechselte noch Mr. Medicott, mit dem Frank Ostholt 2008 ebenfalls zum Gold-Team gehörte, zur US-Reiterin Karen O'Connor. „Sehr schmerzhaft“, findet der Bundestrainer die Abgänge.

Der Verband hat wenig Möglichkeiten, solche Verkäufe zu verhindern. Finanziell seien „die Möglichkeiten sehr begrenzt“, sagt Peiler. Gerade einmal 125 000 Euro pro Jahr stehen zur Verfügung. Ein Weltklasse-Pferd für die Vielseitigkeit kostet jedoch bis zu einer Million Euro, in der Dressur auch das doppelte - und Springpferde sind noch teurer.

„Es geht nur in Zusammenarbeit mit privaten Förderern und Mäzenen“, erklärt Peiler. Ein Kraftakt war der verhinderte Verkauf von Sam. Das Gold-Pferd von Weltmeister Michael Jung erwarb das Deutsche Olympiade-Komitee für Reiterei (DOKR) gemeinsam mit Privatpersonen.

Der Pferdehandel ist ein wesentlicher Bestandteil des Reitsports, und natürlich kaufen auch die Deutschen - 2010 zum Beispiel den als Wunderpferd geltenden Hengst Totilas. Im Jahr vor London hat aber bisher noch kein Olympia-Kandidat einen deutsche Pass bekommen. Laut Peiler ist das auch nicht zu erwarten.