Reiter-Titelkämpfe in Balve spüren Globalisierung

Balve (dpa) - Die Vorfreude auf die deutschen Meisterschaften lässt sich Otto Becker nicht verderben. Auch nicht durch die Tatsache, dass er als Bundestrainer der Springreiter bei den Titelkämpfen am Wochenende in Balve gerade einmal zwei von fünf Mitgliedern seines A-Kaders sehen kann.

Denn Rekordmeister Ludger Beerbaum, der Weltranglisten-Erste Christian Ahlmann und auch Meredith Michaels-Beerbaum zieht es statt in die sauerländische Provinz zum lukrativen Champions-Tour-Turnier nach London - zum Geldverdienen. Euro statt Ehre.

Von einer Abwertung der Meisterschaften oder gar einem Muster ohne Wert der Titelkämpfe durch das Fehlen seiner Stars will Becker ganz und gar nichts wissen. „Jedes andere Land würde sich die Finger nach einem solchen Teilnehmerfeld lecken“, sagte der 54-Jährige. Balve habe ein „Superstarterfeld. Das Turnier ist besser besetzt als letztes Jahr.“

Doch auch ihm ist klar: Die Globalisierung im Reitsport bekommen längst auch nationale Championate zu spüren. Früher waren für die Springreiter Starts bei den Meisterschaften Pflicht und eine Selbstverständlichkeit. Das ist längst nicht mehr so.

„In den vergangenen vier, fünf Jahren hat sich die Turnier-Landschaft geändert“, stellt Becker fest. Immer neue, immer höher dotierte Veranstaltungen oder Springserien wurden etabliert - auch auf Kosten traditionsreicher Wettbewerbe in Deutschland. Das Super-Turnier in London feiert in diesem Jahr Premiere und lockt mit einem Preisgeld von 750 000 Euro. Allein in dem zur Global Champions Tour zählenden Springen gibt es 450 000 Euro.

Dass auch eine große Pferde-Nation wie Deutschland bei einem solchen Turnier mit renommierten Reitern vertreten sein muss, versteht sich von selbst. Und das Geld kann auch der neunmalige deutsche Meister Ludger Beerbaum gebrauchen. Er ist schließlich Reitsport-Unternehmer. Sein Turnierstall in Riesenbeck kostet ihn jährlich rund zwei Millionen Euro. Zwar sind Preisgelder nicht der einzige, doch ein zumindest wesentlicher Einnahmeposten.

Deshalb reiste Beerbaum auch mit seinen angestellten Reitern Marco Kutscher und Philipp Weishaupt in die britische Hauptstadt. Alles in Absprache mit Becker und dem Springausschuss.

Trotz der Abwesenheit von Beerbaum & Co. seien in Balve viele gute Leute da, betonte der Bundestrainer und verwies auf die Mannschafts-Weltmeister Marcus Ehning, Carsten-Otto Nagel und Janne Friederike Meyer sowie dem Weltcup-Finalisten Hans-Dieter Dreher. Gespannt ist Becker auch auf das Abschneiden der jungen Talente wie David Will, Patrick Stühlmeyer, Katrin Eckermann, Andreas Kreuzer und Jan Wernke. Immerhin seien noch einige Plätze für das CHIO in Aachen Ende Juni zu vergeben, so Becker. Für die Vergabe der Tickets zur EM im August in Herning ist das Ergebnis der Titelkämpfe allerdings nur bedingt relevant.

Das ist bei den Dressurreitern anders. Das nationale Championat und das CHIO sind offizielle EM-Sichtungen. Eine Ausnahme wird für Kristina Sprehe gemacht. Die zweimalige Meisterschafts-Dritte des Vorjahres schont ihr Top-Pferd Desperados nach einer Verletzung. Seine Klasse hat das Paar in diesem Jahr schon oft genug bewiesen. Es soll erst in Aachen wieder antreten. Auch Dorothee Schneider kann in Balve nicht dabei sein. Die Olympia-Zweite in der Mannschaft sagte ihren Start wegen einer Verletzung ihrer zwölf Jahre alten Stute Forward Looking ab.

Von Matthias Rath und seinem einst als Wunderpferd erklärten Totilas, der zuletzt im vergangenen Jahr in Balve bei einem Turnier gesehen wurde, redet niemand mehr. Rath hat wegen einer Verletzung des Hengstes die Saison 2013 mit Totilas für beendet erklärt, ohne sie angefangen zu haben.

So richten sich die Blicke auf Helen Langehanenberg. Die Weltcup-Siegerin verteidigt mit Damon Hill in Balve zwei Titel. Alles andere als ein erneuter Erfolg der Olympia-Zweiten mit der Mannschaft wäre eine Überraschung. Zumindest in Sachen Spannung haben die Springreiter bei den Meisterschaften da einiges mehr zu bieten.