Schockemöhles Wandel: Totilas weckt Dressur-Liebe

Rotterdam (dpa) - Manche alten Wegbegleiter wundern sich noch immer. So kannten sie Paul Schockemöhle nicht. Der dreimalige Europameister der Springreiter ist seit einem knappen Jahr mehr am Dressurviereck zu finden als am Parcours und macht dabei zuweilen eine merkwürdige Figur.

Ein schwarzer Schönling auf vier Beinen hat bei dem Pferdehändler mit dem silbergrauen Haar eine ganze neue Seite offenbart. Der nur noch Wunderpferd genannte Totilas hat das Leben des 66-Jährigen deutlich verändert. Seit Schockemöhle seine Liebe zu dem Pferd entdeckt und den Rekordtransfer des Niederländers für geschätzte zehn Millionen Euro abgewickelt hat, ist die Dressur in einen andere Dimension vorgestoßen.

Wie sehr Totilas Schockemöhles Leben bewegt hat, ließ sich Anfang Juni ganz wunderbar beobachten. Für das rund zehnminütige Debüt des Pferdes mit dem neuen Reiter Matthias Rath flog der umtriebige Unternehmer eigens nach München - obwohl in Hamburg gerade das Deutschen Derby lief, wo er als Turnierveranstalter engagiert ist.

Seitdem ist Schockemöhle immer da, wo Totilas und Rath eine Prüfung absolvieren: München, Wiesbaden, Balve, Aachen und diese Woche in Rotterdam bei der EM. Immer zusammen mit Matthias' Vater Klaus-Martin Rath und Stiefmutter Ann-Kathrin Linsenhoff, mit der Schockemöhle inzwischen eine Besitzer-Gemeinschaft bildet.

Neben der kunterbunt gekleideten Linsenhoff, die nach Totilas-Ritten oft wie aufgedreht herumspringt, wirkt der stoische Süd-Oldenburger manchmal etwas deplatziert. Er sagt: „Inzwischen sind wir sogar Freunde geworden.“

Schon früher besaß Schockemöhle Dressurpferde. Der in Fachkreisen berühmte Sandro Hit steht wie andere Dressur-Zuchthengst schon lange auf seiner Deckstation im niedersächsischen Mühlen. Doch richtig aufgeflammt scheint die Dressur-Begeisterung erst durch Totilas, der an das TV-Pferd Black Beauty erinnert. Vor zwei Jahren ermittelten in Windsor neben den Spring- auch die Dressurreiter ihre Europameister, und Schockemöhle sah, wie der Niederländer Edward Gal mit Totilas seine ersten Goldmedaillen gewann.

Ein Jahr später, nach Gals dreifachen WM-Sieg mit dem Wunderpferd, schlug Schockemöhle zu. Er wickelte den teuersten Transfer in einer olympischen Pferdesport-Disziplin ab. Beschimpft wurde er danach, bekam Drohbriefe aus den Niederlanden. Sein lakonischer Kommentar: „Es gibt immer Verrückte. Aber ich bin nicht ängstlich.“

Dafür zeigt er sich neuerdings ungewohnt emotional. Rund zehn Monate nach dem Kauf ist „die Begeisterung nach wie vor sehr groß“, sagt Schockemöhle. „Das Pferd hat alles bestätigt, was wir erwartet haben.“ Den Kauf habe er nie bereut: „Ganz im Gegenteil.“

Nun hat er vor einigen Wochen gemeinsam mit Linsenhoff ein weiteres Dressurpferd in den Niederlanden erstanden: Bretton Woods. Geschätzte zwei Millionen Euro hat der erst fünfjährige Hengst gekostet und wird schon als Totilas-Nachfolger gehandelt. Für Schockemöhle, der die Zuchtrechte hält, ist Bretton Woods aber auch ein gutes Geschäft - genau wie Totilas.