Sensibles Thema: Die empfindlichen Pferdebeine

Madrid (dpa) - Seit dem Doping-Skandal bei den Olympischen Spielen ist es bei den Springreitern ruhiger geworden. Prominente Fälle gab es zuletzt nicht mehr, die Kontrollen und die Strafen sind verschärft worden.

Dennoch gibt es Indizien, dass weiterhin getrickst und manipuliert wird.

Die Kontrolleure werden bei Denis Lynchs Pferd wohl etwas genauer hinschauen. Wenn dessen Wallach Lantinus bei der Europameisterschaft in Madrid vor jedem Ritt untersucht wird, konzentrieren die Veterinäre sich wie bei allen anderen Pferden vor allem auf die Vorderbeine - denn die sind empfindlich und zugleich ein sehr sensibles Thema.

Der in Münster lebende Ire gilt in der Szene als vorbelastet. Vor drei Jahren wurde sein Olympiapferd positiv auf Capsaicin getestet, und vor drei Wochen beim Millionen-Turnier in Rio de Janeiro hatten die Kontrolleure Lynch wegen Überempfindlichkeit an den Vorderbeinen von All Inclusive für den Großen Preis gesperrt.

Die Sperre von Rio ist allerdings kein Beweis für eine Manipulation. Es gab nach Angaben des Pferdesport-Weltverbandes FEI „keinen Hinweis auf ein Fehlverhalten“, weshalb auch kein Verfahren eingeleitet worden sei. Daher ist auch ein Start bei der EM in dieser Woche in Madrid möglich.

Das gleiche gilt auch für Lynchs Landsmann Billy Twomey und den französischen Ersatzmann Simon Delestre. Sie durften in Rio ebenfalls nicht beim höchstdotierten Großen Preis der Welt starten, weil ihre Pferde Romanov und Vancouver wegen Überempfindlichkeit der Beine „nicht fit für den Wettkampf“ waren. So lautete die offizielle Begründung der FEI.

Die Vorderbeine spielen eine entscheidende Rolle beim Springreiten. „Es gibt keinen Zweifel, dass Pferde mit extrem empfindlichen Beinen höher springen wollen“, erklärt FEI-Veterinär Grame Cooke.

Empfindlicher lassen sich die Beine mit verschiedenen Substanzen machen, etwa mit Capsaicin, dem Extrakt der Chilischote. Das wurde in Hongkong bei Lynchs Olympiapferd nachgewiesen, aber auch bei Christian Ahlmanns Cöster. Dass diese verbotene Substanz auf die Beine geschmiert worden sei, verneinten Lynch und Ahlmann ebenso wie die anderen drei ertappten Reiter. Gesperrt wurden gleichwohl alle, Ahlmann nach dem Urteil des Internationalen Sportgerichtshofes CAS sogar wegen Dopings.

Dass Lynch, Twomey und Delestre in Rio manipuliert haben, lässt sich nicht nachweisen. Überempfindlichkeiten können auch ohne Betrugsabsicht entstehen: Verletzungen und Entzündungen seien beispielsweise natürliche Ursachen, erklärte der deutsche Mannschafts-Tierarzt Jan-Hein Swagemakers: „Und es gibt auch Pferde, die sind einfach von Natur aus sensibler, das sind dann auch die richtig guten.“ Der deutsche Tierarzt erklärt aber, „dass es natürlich auch illegale Methoden gibt, um die Beine empfindlicher zu machen“.