Tödliches Restrisiko: Angst darf aber nicht mitreiten
Malmö (dpa) - Die Angst darf nicht mitreiten. Wenn es am Samstag bei der EM in Malmö auf die Geländestrecke geht, muss sich Vielseitigkeitsreiter Dirk Schrade konzentrieren und alles andere ausblenden - auch den Tod seines Top-Pferdes King Artus.
Trotz der Fokussierung während des Rittes weiß der 35 Jahre alte Team-Olympiasieger aber um das Problem seines Sports: „Es gibt ein Restrisiko.“ Vielseitigkeitsreiten ist nicht ungefährlich. Nur reden die Reiter nicht sonderlich gerne darüber. Vorsichtshalber haben die deutschen Teilnehmer vor der EM in Schweden ein Medientraining bekommen. Schließlich wurde das Thema zuletzt immer wieder diskutiert, denn in den zurückliegenden drei Monaten gab es drei tote Pferde allein bei Prüfungen in Deutschland.
Im Mai starb Schrades King Artus beim Turnier in Wiesbaden, vier Wochen später P'tite Bombe in Luhmühlen und im Juli Likoto in Rastede. King Artus erlag ebenso einem Aortenabriss wie Likoto. P'tite Bombe verletzte sich hingegen bei einem missglückten Sprung so schwer, dass die Stute eingeschläfert werden musste.
„Da zuckt man innerlich zusammen, wenn man so etwas sieht“, hatte Doppel-Olympiasieger Michael Jung in Luhmühlen gesagt, nachdem er den Unfall auf einem Fernsehschirm verfolgt hatte. Auch Jung ist das Restrisiko bewusst: „Das kann leider immer passieren.“
33 tote Pferde gab es nach Angaben des Reitverbandes FEI seit 2010 bei 1831 internationalen Turnieren. Aber nicht nur Tiere sterben bei der Vielseitigkeit. Neun Reiter erlagen seit 2004 bei internationalen Prüfungen den Folgen von Reitunfällen, zwei davon in diesem Jahr.
Die deutsche Reiterei erlebte ihren größten Schock vor sechs Jahren, als Tina Richter-Vietor aus Ganderkesee in einer Rahmenprüfung der deutschen Meisterschaft schwer stürzte und starb. In Schenefeld waren damals neben Bundestrainer Hans Melzer auch die jetzigen EM-Reiter Schrade, Ingrid Klimke und Peter Thomsen.
Auf die Psyche seiner sechs EM-Reiter haben die drei toten Pferde in drei Monaten „keinen Einfluss“, versichert der Coach und spricht von einer „unglücklichen Serie“. Melzer betont stattdessen, dass die Vielseitigkeit durch mehrere Reformen sicherer geworden sei. Die Geländestrecke ist seit 2004 deutlich verkürzt worden, die Hindernisse sind entschärft.
Gleichwohl lässt sich das Risiko nur minimieren. Und Trainer und Reiter müssen mit der Problematik umgehen, ohne dass sie in der unmittelbaren Vorbereitung eine Rolle spielen darf. „Wir gehen das Gelände vorher nicht ab und sagen, an der oder der Stelle kann man fallen“, erklärt Melzer.
Schrades Pferd King Artus war in Wiesbaden nicht gestürzt, sondern nach der Zielankunft zusammengebrochen. Die Untersuchungen haben nach Schrades Angaben ergeben, „dass ich keinen Fehler gemacht habe, aber das hat nicht geholfen, über den Schmerz hinwegzukommen“.
„Die Zeit heilt die Wunden“, sagt der Reiter, aber er denke noch öfter an das Unglück. Bei seinem EM-Geländeritt am Samstag dürfen solche Gedanken freilich keine Rolle spielen: „Da bin ich dann total fokussiert.“