Snooker-Genie O'Sullivan: „Ist nicht meine Sache“
Sheffield (dpa) - In der rechten Hand den WM-Pokal, auf dem linken Arm den stolzen Sohn Ronnie junior: Für Snooker-Genie Ronnie O'Sullivan war der fünfte WM-Titel anders als alle zuvor.
Seit seinem Triumph im Vorjahr hatte sich der exzentrische Engländer eine fast einjährige Auszeit genommen und nur ein Pflichtmatch bestritten. Selbst ohne Spielpraxis schlug der 37-Jährige im Crucible Theatre von Sheffield Vorjahresfinalist Allister „Alli“ Carter, Jungstar Judd Trump und im Finale Landsmann Barry Hawkins mit 18:12. Zum ersten Mal seit 1996 setzte sich damit der Titelverteidiger im Endspiel durch.
Als nach dem zweitägigen Endspiel sein Sieg in der Billard-Variante feststand, reckte O'Sullivan die Faust und ließ sich von den rund 1000 Zuschauern in dem umgebauten Theater feiern - nur um sie danach einmal mehr im Unklaren darüber zu lassen, ob er sie mit seinem einmaligen Talent auch weiterhin begeistern wird.
„Snooker ist nicht meine Sache“, verkündete O'Sullivan im Lauf des gut zweiwöchigen Turniers. Oder: „Ich habe nur gespielt, weil ich etwas Geld brauchte.“ Zum Beispiel, um die Schulgebühren seines Sohnes zu bezahlen. Oder Forderungen seiner Ex-Freundin und von Anwälten zu erfüllen. „Es ist ein Gemetzel. Es ist nicht schön, Leuten Geld zu schulden“, sagte O'Sullivan. Umgerechnet knapp 300 000 Euro brachte ihm nun der fünfte Titel nach 2001, 2004, 2008 und 2012.
Fans und Konkurrenten können sich manchmal nur wundern, wie sicher und schnell „The Rocket“ die kleinen Bälle auf dem fast 3,60 Meter langen Tisch in die Taschen bugsiert und das Queue dabei je nach Bedarf auch mal mit links statt mit rechts hält. Doch mit dem, was er am besten kann, scheint den Dominator eine innige Hassliebe zu verbinden. Die Menschen rings um das Snooker hätten ihm gefehlt, nicht das Spiel selbst, verkündete O'Sullivan während der WM.
Doch dort scheint er all seine Sorgen für eine Weile verdrängen zu können. Suchtprobleme, eine Haftstrafe wegen Totschlags für seinen Vater, der nun im Publikum weilte, dazu die üppigen Ausgaben und depressive Schübe, von denen er sich dank der Zusammenarbeit mit einem Psychologen jedoch mittlerweile besser befreien kann. Auch während dieser WM gelang ihm das.
„Es war nicht einfach ein Durchmarsch. Es sieht nicht so aus, aber manchmal bist Du so nah dran zu zerbrechen. Ich bin nicht gut beim Umgang mit Druck. Vielleicht geht es mir auf irgendeinem Kahn auf einem Kanal besser“, räumte O'Sullivan offenherzig ein.
Weil er genug von allem hatte, arbeitete er im vorigen Jahr sogar auf einem Bauernhof. Er wolle kein Millionär sein, wie jeder Mensch etwas zu essen im Kühlschrank und einen normalen Job haben, betonte er während der WM. Für Aufsehen im Gentleman's Sport der Hemd- und Fliegenträger sorgte darüber hinaus eine obszöne Geste, für die ihn die Schiedsrichterin verwarnte.
Auch wenn O'Sullivan nach dem Endspiel bekräftigte, lieber nur noch bei kleinen Turnieren antreten zu wollen und so seine Verpflichtungen zu erfüllen, gibt es doch Hoffnung für seine große Fan-Gemeinde. „Ich weiß nicht, wo das ganze Geld geblieben ist. Also kann ich es mir nicht leisten, zurückzutreten“, gestand er in Sheffield. „Du kannst niemals, niemals, niemals, niemals nie sagen.“