Sommersportler beklagen Wintersport-Flut im TV

Frankfurt/Main (dpa) - Schon früh am Morgen Rodeln, dann die Rennen im Biathlon und Langlauf und zwischendurch zwei Durchgänge vom Skispringen: Nach Meinung vieler Sommersportler wird im Fernsehen zu viel Wintersport gezeigt.

Leichtathleten oder Ballsportler fühlen sich ungerecht behandelt.

Christina Schwanitz hätte am liebsten die ganze Welt umarmt. Die Kugelstoßerin war gerade zum ersten Mal Europameisterin geworden und bedankte sich überschwänglich bei ihrem Trainer, den Zuschauern und dem Rest des deutschen Teams. Nur eine bissige Bemerkung konnte sie sich an diesem Sonntagmittag in der Halle von Göteborg nicht verkneifen: „Wahrscheinlich überträgt das Fernsehen gerade wieder stundenlang Biathlon. Aber vielleicht schalten sie ja um halb sieben nochmal für ein paar Minuten zu uns.“

„Ich habe kein Problem damit, dass so viel Wintersport gezeigt wird. Ich habe aber ein Problem damit, dass viele andere Sportarten nicht mehr gezeigt werden“, sagte der Volleyball-Trainer Stelian Moculescu, der mit dem VfB Friedrichshafen zwölfmal deutscher Meister wurde.

Der Frust über die vermeintliche Ungleichbehandlung sitzt offenbar tief. „Wir verstehen überhaupt nicht, dass gerade im Winter einen ganzen Tag zur besten Sendezeit Rodeln gezeigt wird. Kein Mensch rodelt, höchstens mal auf dem Hausberg. Da sind dann 100 Zuschauer an der Bahn, aber man guckt sich zwei Stunden Rodeln an“, meinte der Präsident der Basketball-Bundesliga, Thomas Braumann. Moculescu teilt in die gleiche Richtung aus: „Wir sind mittlerweile nur noch in den Sportarten gut, die keine andere Nation betreibt“, schimpft er. „Beim Rodeln zum Beispiel sind vorne drei, vier Deutsche und dann kommt vielleicht noch einer aus Tansania oder wo auch immer her.“

Die Reaktionen folgten prompt, der Bob- und Schlittenverband wehrt sich gegen derlei Polemik. „Wir sind doch alle gemeinsam daran interessiert, den Sport insgesamt nach vorne zu bringen. Da zieht man nicht direkt gegen andere Sportarten“, sagte Geschäftsführer Thomas Schwab. Der Deutsche Olympische Sportbund als Dachorganisation versucht, zwischen beiden Lagern zu vermitteln. „Hier geht es nicht um die Frage, entweder Winter- oder Sommersport, sondern es geht um sowohl Wintersport als auch Sommersport“, erklärte DOSB-Sprecher Christian Klaue. „Viele der Sommersportverbände haben entsprechende Vereinbarungen mit ARD und ZDF getroffen und der DOSB seinerseits dringt auf eine größere Vielfalt in der Sportberichterstattung.“

Dass gerade Rodler und Biathleten den Ärger abkriegen, ist kein Zufall. An ihnen lassen sich die Vorwürfe der Sommersportler gut veranschaulichen. Das Hauptargument lautet: Es gibt viel mehr Volleyballer oder Leichtathleten, aber das Fernsehen zeigt ständig Biathlon. „Im Biathlon gibt es in Deutschland ein paar hundert Leute, die das aktiv betreiben. Aber Volleyball hat 500 000 Mitglieder, Handball 800 000, Turnen wahrscheinlich noch mehr“, meint Moculescu.

Die Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes, Christa Thiel, will sich zwar über eine mangelnde TV-Präsenz ihrer olympischen Kernsportart nicht beklagen. Aber auch sie räumt ein: „Der Wintersport ist überproportional vertreten, das ist Fakt. Man kann verstehen, dass die Sommersportarten auch entsprechend ihrer Mitgliederzahlen partizipieren und zum Zuge kommen wollen.“

Die TV-Anstalten wehren sich gegen solche Vorwürfe. Er könne sie „so nicht akzeptieren“, sagt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. „Das Interesse an den langen Wintersport-Strecken von ARD und ZDF ist vorhanden. Das beweisen die guten Quoten, die man mit anderen Formaten zur selben Sendezeit nicht erreichen würde.“ Erst am Sonntag hatte sein Sender mitgeteilt, dass die ZDF-Übertragungen vom Biathlon im Winter 2012/2013 mit 3,85 Millionen Zuschauern im Schnitt einen noch höheren Wert erreicht haben als im Vorjahr (3,39 Millionen).

Den ständigen Verweis auf die Quote lassen die Kritiker allerdings nicht gelten. Selbst innerhalb des Wintersports fühlen sich Bobfahrer oder Rodler im Vergleich zum Biathlon unterrepräsentiert. Und Moculescu meint: „Wir haben ein öffentlich-rechtliches Fernsehen. Die haben Pflichteinnahmen, also besteht der Auftrag dieser beiden Zwangs-Pay-TV-Sender nicht darin, nur Quote zu erzeugen.“

Der Ärger des Volleyball-Trainers richtet sich aber nicht nur gegen das Fernsehen, sondern auch gegen die eigenen Funktionäre. „Die Verbände müssen sich endlich einmal artikulieren“, fordert Moculescu. „Stellen Sie sich einmal vor, die Verbände in der Leichtathletik, im Turnen, Basketball, Volleyball und Handball würden sich in dieser Frage zusammentun. Oder stellen Sie sich vor, alle Mitglieder dieser Verbände würden auf einmal keine Rundfunkgebühren mehr zahlen.“