75 und nicht müde - Tiriac: „Lebe in einem Flugzeug“
Madrid (dpa) - 75 Jahre - und kein bisschen leise. Auch im fortgeschrittenen Alter gibt sich Ion Tiriac noch als umtriebiger Geschäftsmann und Hans Dampf in allen Gassen. Madrid, Monte Carlo, Russland und Deutschland heißen die Reiseziele des ehemaligen Boris-Becker-Managers in diesen Tagen.
„Ich lebe in einem Flugzeug“, sagte Tiriac im Interview der Nachrichtenagentur dpa. An diesem Freitag feiert der Rumäne seinen runden Geburtstag - ohne dabei groß Zeit mit Feierlichkeiten zu verschwenden.
In Deutschland wird Tiriac für immer besonders mit einem Namen verbunden sein: Boris Becker. Zusammen mit Trainer Günther Bosch machte er aus dem damals 15 Jahre alten Knaben eine deutsche Tennis-Legende und löste von Hamburg bis München einen zuvor und danach nie dagewesenen Tennis-Boom aus.
An dem Tag, als er mit seinem Rolls Royce in der Nußlocher Straße in Leimen vorfuhr, begann die erfolgreichste Geschäftsbeziehung im deutschen Sport. „Ich habe Becker zu einem der reichsten Sportler der Welt gemacht“, stellte Tiriac einmal nach seiner Trennung von Becker fest. „Er ist ein Typ, der elf Jahre meines Lebens verschlungen hat“, sagte Tiriac nun der dpa.
Kontakt zu Becker, seit Anfang des Jahres als Trainer von Novak Djokovic zurück auf der Tour, hat der ehemalige Davis-Cup-Profi nur noch sporadisch. „Ich sehe ihn manchmal, wir sprechen über unsere Kinder, über die Familie“, sagte Tiriac. „Ich habe ein absolut normales Verhältnis zu ihm.“
Doch auch ohne den dreimaligen Wimbledonsieger ist und war Tiriac stets gut im Geschäft. Das Resultat von harter Arbeit und gutem Gespür, dass den früheren rumänischen Eishockey-Nationalspieler seit seiner Kindheit auszeichnet. Aufgewachsen ist Tiriac in Kronstadt (Brasov) als Sohn eines Postmannes. Als er elf Jahre alt ist, stirbt der Vater, Tiriac ist es fortan, der die Familie ernähren muss. Er arbeitet in einer Lastwagenfabrik - nicht weit davon entfernt schuftet auch Bosch für ein bisschen Geld.
Der spätere Becker-Coach ist es auch, der Tiriac zum Tennis bringt. Mit riesigem Talent war er nicht gesegnet, doch mit harter Arbeit bringt er es bis auf Platz acht der Weltrangliste und gewinnt die French Open im Doppel. An die damaligen Zeiten erinnert er sich stets gerne zurück. „Was mir am meisten gefallen hat, war Tennisspielen, als es kein Geld gab, keine Punkte, keinen Druck“, sagte Tiriac.
Es klingt ein bisschen surreal, dies aus dem Mund eines Mannes zu hören, der als Unternehmer, Netzwerker und Marketing-Stratege nichts unversucht gelassen hat, auch im Tennis so viel Profit wie nur irgend möglich zu erzielen. „Der Sport ist eine Industrie“, gibt Tiriac deshalb auch unumwunden zu.
Mit seiner umtriebigen Art hat er sich auf der Welt nicht nur Freunde gemacht. Als der Mann mit der dunklen, etwas zu großen Brille und dem Kinnbart vor ein paar Jahren das Traditionsturnier am Hamburger Rothenbaum aus dem Kalender der Masters-Turniere verdrängte und stattdessen in Madrid ein Event mit viel Glamour aus dem Boden stampfte, schimpfte Georg van Waldenfels, damals noch Präsident des Deutschen Tennis Bundes: „Er glaubt, mit Geld kann man alles kaufen.“
Doch zuletzt profitierte auch das deutsche Tennis wieder von Tiriacs Geschäftstüchtigkeit, zusammen mit Rainer Schüttler hält er die Lizenz an den Düsseldorf Open. Ein Widerspruch zu seinem Widerstand gegen Hamburg? Nicht für Tiriac. Wo immer es ein Geschäft zu machen gab und gibt, Tiriac wittert es - auch noch mit 75. Ums beliebt sein ging es ihm dabei nie. Auch bei der Frage, wie man ihn in Erinnerung behalten soll, gibt sich Tiriac daher pragmatisch. „Wenn du zwei Meter unter der Erde liegst, gibt es andere, die viel interessanter sind.“