Djokovic im Halbfinale - Nishikori schreibt Geschichte
New York (dpa) - Gleich nach der kräftezehrenden Nachtschicht schickte Novak Djokovic einen kleinen Gruß an seinen grinsenden Trainer Boris Becker. Erst um 1.16 Uhr Ortszeit in New York war sein Viertelfinal-Kraftakt gegen Andy Murray vorbei.
Der Serbe wollte nur noch ins Bett.
„Ich glaube, mein Coach da oben würde mir eins mit dem Baseballschläger überbraten, wenn ich jetzt in die Stadt fahren würde, um Party zu machen“, feixte der Branchenführer der Tenniswelt nach seinem 7:6 (7:1), 6:7 (1:7), 6:2, 6:4 im US Open-Viertelfinale gegen den Olympiasieger aus Schottland.
Dreieinhalb Stunden Schwerstarbeit lagen hinter dem 27-Jährigen, der es damit zum achten Mal nacheinander ins Halbfinale der letzten Grand-Slam-Veranstaltung des Jahres geschafft hat. Über seinen nächsten Gegner Kei Nishikori wollte er nach der Mitternacht-Show am Mittwoch nicht mehr sprechen. „Ich möchte jetzt lieber schlafen gehen“, sagte Djokovic nach dem Ende der Partie - und richtete sich dann direkt an das dankbare Publikum im Arthur-Ashe-Stadium. „Oder feiern. Was sagt ihr? Lasst uns Party machen“, sagte der siebenmalige Grand-Slam-Turniersieger und blickte vorsichtig in seine Box zu den Trainern Marian Vajda und Becker.
Der dreimalige Wimbledonsieger zog sich eine blaue Trainingsjacke über das schwarze Polo-Shirt und ließ sich zu einem befriedigten Lächeln hinreißen. Pflicht erfüllt, Härtetest bestanden, jetzt kommt die nächste Prüfung - so ließ sich der Gesichtsausdruck des 46-Jährigen deuten. Mit dem Sieg auf dem Heiligen Rasen von Wimbledon haben Djokovic & Becker zuletzt alle Zweifler und Spötter verstummen lassen, die das Engagement des Leimeners für einen misslungenen PR-Gag hielten und sich seitdem permanent fragen, was der Ex-Profi der Nummer eins der Welt eigentlich beibringen will.
Djokovic jedenfalls wirkt trotz der suboptimalen US Open-Vorbereitung mit zwei frühen Niederlagen in Toronto und Cincinnati seit Turnierbeginn stabil, konzentriert und selbstsicher. Auch privat läuft alles rund. Im Juli heiratete der US-Open-Sieger von 2011 seine schwangere Jugendfreundin Jelena Ristic und schwärmte danach: „Die letzten Wochen waren die besten in unserem Leben und jetzt wenden wir uns mit neuer Energie den kommenden Herausforderungen zu.“
Zum Beispiel Halbfinalgegner Ken Nishikori. Der Japaner schrieb am Mittwoch Tennis-Geschichte für sein Land. Durch das 3:6, 7:5, 7:6 (9:7), 6:7 (5:7), 6:4 gegen Australian-Open-Sieger Stan Wawrinka aus der Schweiz steht der 24-Jährige als erster Japaner in der Historie des Profi-Tennis im Halbfinale eines Grand-Slam-Turniers. Und dort soll noch lange nicht Schluss sein. Nishikoris amerikanischer Coach Michael Chang, 1989 Sieger der French Open, weiß, wie man Favoriten ärgert und große Titel gewinnt. „Er hat mir gratuliert. Aber er hat auch gesagt: Es ist noch nicht vorbei. Bleib fokussiert und versuch dich zu erholen in den kommenden zwei Tagen“, so Nishikori über die Ansage seines Trainers.
Solche Strategievorgaben hat Serena Williams schon längst nicht mehr nötig. Die an Nummer eins gesetzte Titelverteidigerin aus den USA siegte sich gegen die Italienerin Flavia Pennetta trotz eines 0:3-Rückstands im ersten Satz durch das 6:3, 6:2 mühelos ins Halbfinale und trifft dort am Freitag auf die russische Linkshänderin Jekaterina Makarowa. Im zweiten Semifinale stehen sich die Chinesin Peng Shuai und Caroline Wozniacki aus Dänemark gegenüber. „Hoffentlich kann ich noch zwei Matches gewinnen“, sagte Williams. Mit dem Titel am Sonntag könnte sie in der Grand-Slam-Rangliste mit Martina Navratilova und Chris Evert (je 18) gleichziehen. Besser ist nur Steffi Graf (22).