Fingerzeig gegen Zweifler: Serena Williams ohne Schwäche
New York (dpa) - Die Spitzenposition in der Weltrangliste und die Chance auf weitere Rekorde will sich Serena Williams so leicht nicht streitig machen lassen.
Wer geglaubt hatte, die bald 35 Jahre alte Ausnahmeerscheinung des Damen-Tennis zeige nach ihrer Verletzungspause Schwächen oder drohe bei ihrem US-Open-Heimspiel schon früh am Druck zu zerbrechen, sah sich gewaltig getäuscht. Angelique Kerber & Co. jedenfalls sind gewarnt: Williams is back!
Die unbequeme Erstrunden-Aufgabe mit der russischen Linkshänderin Jekaterina Makarowa löste Williams am Dienstag in der Night Session im prall gefüllten Arthur-Ashe-Stadium bemerkenswert souverän. Mehr noch als das schnöde Ergebnis von 6:3, 6:3 imponierten Auftreten und Leistung der 22-maligen Grand-Slam-Turniersiegerin.
„Alle Systeme laufen: Serena stürmt in die zweite Runde“, dichteten die Organisatoren auf der offiziellen Homepage des vierten und letzten Grand-Slam-Turniers einer für Williams eher durchschnittlichen Saison. Seit ihrem Wimbledonsieg im Finale gegen Angelique Kerber hat sie nur drei Matches bestritten.
Bei den Olympischen Spielen in Rio verlor sie sensationell in der dritten Runde - und nahm sich anschließend wegen Schulterproblemen eine Auszeit. Viel war spekuliert worden über die körperliche und mentale Verfassung der sechsmaligen US-Open-Siegerin. Denn bei ihrem 17. Start in Flushing Meadows steht die jüngere der beiden Williams-Schwestern gewaltig unter Druck. Mindestens das Halbfinale muss sie erreichen, um nicht die Ranglistenführung abgeben zu müssen.
Kerber, French-Open-Siegerin Garbiñe Muguruza aus Spanien und die Polin Agnieszka Radwanska lauern im Hintergrund und haben Chancen, Williams nach dann 186 Wochen am Stück als Nummer eins abzulösen. Die Gejagte spielt aber auch um die eine oder andere Fußnote der Tennis-Historie. Gewinnt Williams am 10. September das Endspiel, würde sie mit ihrem 23. Grand-Slam-Titel an Steffi Graf (22) vorbeiziehen und mit dann 187 Wochen nacheinander auf dem Spitzenplatz Deutschlands Tennis-Legende auch diesen Rekord abjagen.
„Wenn ich es ins Halbfinale schaffen würde, wäre das großartig“, sagte Williams in einer Mischung aus Bescheidenheit und Koketterie. Ihrem turbulenten Jahr mit der Finalniederlage gegen Kerber bei den Australian Open und der Finalniederlage gegen Muguruza bei den French Open will sie nach dem Wimbledonsieg mit der US-Open-Trophäe unbedingt noch die Wende zum Guten verpassen.
Nach dem Erfolg gegen Makarowa drehte sich Williams in ihrem schwarzen Kleid mit den schwarzen Handschuh-Ärmeln um die eigene Achse, winkte ins Publikum und streckte den Zeigefinger in die Luft. Wer wollte, konnte diese Geste als Fingerzeig interpretieren. „Hier bin ich wieder, und ich räume nicht kampflos meinen Platz.“