Flucht statt Feier: Stosur-Aus schockt Aussies

Melbourne (dpa) - Samantha Stosur wollte nur noch weg. Weg von dem Ort, der sie noch nie glücklich gemacht hat und ihr doch so viel bedeutet. Raus aus dem Melbourne Park, wo all die Wünsche und Erwartungen ihrer Landsleute auf ihr gelastet - und sie letztlich erdrückt hatten.

„Ich werde ein paar Tage frei machen und abtauchen“, sagte Stosur, nachdem sie zuvor völlig unerwartet mit 6:7 (2:7), 3:6 in der ersten Runde gegen die Rumänin Sorana Cirstea verloren hatte. Die Australian Open waren damit für sie bereits vorbei, ehe sie richtig begonnen hatten. Zurück blieb eine geschockte Tennis-Nation samt ihrer geknickten Frontfrau.

„Das ist sehr schwer für sie“, meinte Australiens Routinier Lleyton Hewitt mitfühlend. Die ehemalige Nummer eins der Welt, die selbst ebenfalls nie in Melbourne gewinnen konnte, rang in der Night Session die deutsche Nachwuchshoffnung Cedrik-Marcel Stebe in vier Sätzen nieder und linderte damit zumindest ein wenig die australische Trauer. Wegwischen konnte sie aber auch der Publikumsliebling nicht.

„Ich bin extrem enttäuscht“, brachte Stosur nur als Antwort auf die Frage heraus, wie sie sich fühle. Mit leerem Blick beantwortete die US-Open-Siegerin tapfer die auf sie einprasselnden Fragen der australischen Journalisten. Wie konnte das passieren? Wie konnte sie, die vier Monate zuvor in New York mit ihrem ersten Grand-Slam-Titel noch den endgültigen Durchbruch in die Weltspitze geschafft hatte, ausgerechnet bei ihrem Heim-Grand-Slam derart früh scheitern?

Antworten bekam niemand an diesem Tag. „Natürlich waren die Erwartungen hoch, aber es gibt nichts größeres als meine eigenen Erwartungen“, meinte Stosur. Und doch merkte man der toughen Lokalmatadorin von der Goldküste in jeder Sekunde des Spiels an, wie sehr die Sehnsucht ihrer Landsleute auf den ersten Triumph einer Australierin seit Chris O'Neil vor 34 Jahren auf ihr lasteten.

Ungewohnt verkrampft und nicht so aggressiv wie gewohnt agierte die Nummer sechs der Welt in der Rod Laver Arena, die doch eigentlich ihr Wohnzimmer sein sollte, so wie bei Boris Becker der Centre Court in Wimbledon. Doch über das Achtelfinale ist Stosur in Melbourne noch nie hinausgekommen. Und schon bei den Vorbereitungsturnieren in Brisbane und Sydney schied sie früh aus.

Australiens Tennis-Legende Pat Cash schien bereits etwas geahnt zu haben, als er Stosur in den Tagen vor dem Turnier in der Stadt getroffen hatte. Überall lacht Stosur dort von Fotos und Plakaten, doch richtig wohl hat sie sich in der Rolle der Hoffnungsträgerin der Nation noch nie gefühlt. „Das Problem ist, dass so viele Menschen ein Stück von dir haben wollen während der Australian Open“, sagte Cash in der Tageszeitung „The Age“.

„Das ging Lleyton Hewitt hier jahrelang so, es hat Pat Rafter belastet, der hier nie so gut gespielt hat wie bei den US Open oder in Wimbledon und es hilft auch Sam nicht wirklich“, zitierte die Zeitung Cash am Morgen vor dem Spiel. Der Serve-and-Volley-Spezialist schaffte es ebenfalls nie, in der Heimat zu gewinnen.

Und so ruhen die Hoffnungen der Australier in diesem Jahr auf dem erst 19 Jahre alten Bernard Tomic. „Er ist ein anderer Typ. Er scheint unter all der Aufmerksamkeit richtig aufzublühen“, beschrieb Stosur ihren Landsmann. Sie, das weiß sie, wird nie so sein.