Frankfurter Davis-Cup-Versöhnung hält nur kurz
Frankfurt/Main (dpa) - Die heile Tennis-Welt hielt nicht einmal einen Tag. Nachdem das deutsche Davis-Cup-Team am Samstag noch die Versöhnung zwischen Tommy Haas und Philipp Kohlschreiber gefeiert und perfekt initiiert hatte, bekam das Bild von der neuen Harmonie am Sonntag wieder heftige Risse.
Weil sich am Abschlusstag des Erstrundenduells gegen Spanien weder Haas noch Kohlschreiber in der Lage sahen, zum beim Stand von 3:0 bedeutungslosen Einzel gegen die spanische Nummer eins Feliciano Lopez anzutreten, wurde das deutsche Team in der Frankfurter Ballsporthalle gnadenlos ausgepfiffen. Die Euphorie der ersten beiden Tage war wie weggeblasen, wieder einmal gaben die deutschen Tennis-Herren ein erbärmliches Bild ab.
„Ich kann mir keine größeren Extreme vorstellen“, sagte Teamchef Carsten Arriens nach dem Eklat von Frankfurt. Noch am Tag zuvor war er dafür gefeiert worden, erstmals seit langem wieder die besten deutschen Spieler zusammengeführt zu haben. Doch als sich das Team wieder in alle Himmelsrichtungen verstreute, war alles anders. „In der Kabine hat sich vorhin keiner als Sieger gefühlt. Jeder geht im Zustand einer Niederlage“, sagte Arriens.
Haas und Kohlschreiber hatten zuvor Verletzungen und Erschöpfung als Grund angegeben. Florian Mayer kam wegen seiner im Einzel am Freitag erlittenen Schulterverletzung sowieso nicht für einen Einsatz infrage. Während der Bayreuther seine Teilnahme am ATP-Turnier in Zagreb in dieser Woche bereits abgesagt hat, sind Haas und Kohlschreiber für die Veranstaltung noch gemeldet.
Die Zuschauer reagierten verärgert auf die Absage des dritten Einzels. Sie bekamen für ihr Geld nur noch die Begegnung von Ersatzmann Daniel Brands gegen den Spanier Roberto Bautista-Agut zu sehen, die der Deggendorfer mit 7:6 (7:5), 6:4 gewann und damit für den 4:1-Endstand sorgte.
Als Teamchef Carsten Arriens die Nachricht von der Absage des dritten Einzels über das Hallenmikrofon verkündete, gab es ein gellendes Pfeifkonzert. „Ich kann ihre Verärgerung vollkommen nachvollziehen“, sagte Arriens. Ihm war es zuvor nicht gelungen, einen seiner Profis zu einem Einsatz zu überreden. „Vielleicht haben wir die Situation auch ein bisschen unterschätzt“, sagte Arriens zur Wucht der ihm entgegengebrachten Enttäuschung.
Ein zweiter Versuch des Teamchefs, sich beim Publikum zu entschuldigen, schlug nach der Begegnung von Brands fehl. Die Zuschauer buhten Arriens aus und ließen ihn nicht zu Wort kommen. DTB-Präsident Karl-Georg Altenburg drang danach doch noch zu den Zuschauern durch und versprach, als Entschädigung im Sommer einen Showkampf in Frankfurt am Main zu veranstalten. Doch das war für die Fans nur ein schwacher Trost.
„Auf der einen Seite verstehe ich den Frust der Leute, aber man muss ab und zu auch an seine eigene Gesundheit denken“, sagte Kohlschreiber. „Wir sind alle drei angeschlagen und platt und können nicht spielen“, meinte Haas. „Ich denke, es ist an der Zeit, ein paar Regeln im Davis Cup zu ändern“, sagte die deutsche Nummer eins mit Blick auf die Einzel am dritten Tag, wenn die Begegnung schon entschieden ist.
Doch mit der unverständlichen Aktion rissen die deutschen Profis das positive Bild der Vortage selbst wieder ein. Keine 20 Stunden zuvor hatten Haas und Kohlschreiber mit einer starken Leistung das spanische Spitzendoppel David Marrero und Fernando Verdasco mit 7:6 (7:5), 6:7 (9:11), 7:6 (9:7), 6:3 niedergerungen und damit vorzeitig den Sieg und den Einzug ins Viertelfinale perfekt gemacht. Dort muss die Auswahl vom 4. bis 6. April in Frankreich antreten.
Nachdem der Erfolg gegen die ersatzgeschwächten Spanier feststand, starteten Kohlschreiber, Haas und Co. die große Partysause. Arriens bekam in der Pressekonferenz die obligatorische Sektdusche, das ganze Team betonte die neue Harmonie. Der Zwist zwischen Haas und Kohlschreiber war zwei Jahre nach den Querelen von Bamberg endlich einmal kein Thema mehr.
„Dieses Bild habe ich mir genau so vorgestellt“, sagte Arriens zufrieden. „Tommy und Philipp werden auch weiter nicht gemeinsam in den Urlaub fahren, aber das müssen sie auch nicht. Es geht um einen respektvollen Umgang auf professioneller Ebene und da haben beide keine Probleme miteinander.“ Dafür, die besten Spieler berufen zu haben, gab es auch ein Sonderlob von Tennis-Legende Boris Becker. „Carsten Arriens hat ein gewisses Fingerspitzengefühl bewiesen, diese Paarung aufzustellen. Großes Kompliment“, sagte Becker im ZDF.
Doch schon in der Nacht zum Sonntag wurden die anschließenden Feierlichkeiten von den Debatten überschattet, wer am nächsten Tag spielen würde. Hinter den Kulissen glühten die Telefondrähte auch mit den Managern und Trainern der betroffenen Spielern. Noch eine Stunde vor Spielbeginn herrschte am Sonntag rege Betriebsamkeit in den Gängen der Ballsporthalle. Überall wurde debattiert und diskutiert, doch eine Lösung gab es nicht mehr. Als sich Haas, Kohlschreiber und Mayer zum Spiel von Brands hinter die deutsche Bank setzten, wurden sie mit wütenden Pfiffen empfangen.
Altenburg stellte jedoch klar: „Alle drei Spieler wurden von einem unabhängigen Arzt der Internationalen Tennis Federation untersucht und der hat erklärt, er könne nicht verantworten, dass sie spielen.“ Allerdings sah auch Altenburg den Imageschaden. „Wir haben hart daran gearbeitet, Tennis wieder attraktiv zu machen.“ Der Sonntag bedeutete auf diesem Weg einen heftigen Rückschlag.