Friedsams Schrecksekunde vor dem Achtelfinale
Melbourne (dpa) - Bis ihr Überraschungscoup gegen die Italienerin Roberta Vinci perfekt war, musste Anna-Lena Friedsam noch eine kleine Schrecksekunde überstehen.
Weil die US-Open-Finalistin von 2015 bei Friedsams Matchball das Hawk-Eye bemühte, dauerte es etwas länger, ehe Friedsams Einzug ins Achtelfinale der Australian Open perfekt war. „Als ich den Ball auf der Videoleinwand habe fliegen sehen, habe ich gedacht, Mist, der ist drin“, berichtete die deutsche Meisterin von den bangen Sekunden. Doch dann bestätigte die Technik das 0:6, 6:4, 6:4 und damit Friedsams bislang größten Erfolg der Karriere.
„Das ist einfach unglaublich“, sagte Friedsam. Entgegen ihres sonst eher zurückhaltenden Naturells hüpfte sie nach dem Triumph über den hellblauen Platz in der Hisense Arena und stieß einen spitzen Jubelschrei aus. „Das hat sie klasse gemacht. Sehr beeindruckend, wie souverän sie das Match zu Ende gespielt hat“, lobte Bundestrainerin Barbara Rittner, die die Partie auf der Tribüne der zweitgrößten Arena der Anlage im Melbourne & Olympic Parks verfolgte.
Rittner kann also mit einem guten Gefühl in den Flieger zurück in die Heimat steigen, denn mit Laura Siegemund oder Annika Beck steht auf jeden Fall eine weitere ihrer Spielerinnen nach einem deutschen Duell im Achtelfinale.
Hinter der ebenfalls noch im Turnier vertretenen deutschen Nummer eins Angelique Kerber (trifft auf die Amerikanerin Madison Brengle) macht das Trio aus der zweiten Reihe in Melbourne gerade jede Menge Spaß. „Das haben sie sich verdient. Das sind alles gute Mädels, die einfach auch ihre Zeit brauchen“, sagte Rittner.
Mit Blick auf das Fed-Cup-Duell gegen die Schweiz Anfang Februar in Leipzig hat sie auf einmal deutlich mehr Möglichkeiten. Vor allem Friedsam kommt für eine Nominierung infrage. Schon beim Jahresauftakt in Shenzhen erreichte sie das Halbfinale. Damals scheiterte sie an der Polin Agnieszka Radwanska, die auch jetzt ihre nächste Gegnerin ist. „Es ist noch nicht zu Ende für mich“, sagte Friedsam mit Blick auf das Duell gegen die polnische Gewinnerin der WTA-Finals 2015. Weshalb sie an den Fed Cup auch noch keine Gedanken verschwendet.
Erst einmal stehen im in diesen Tagen ungewohnt regnerischen und kühlen Melbourne nun Erholung und Reha an, bereitet Friedsam doch schon seit einiger Zeit die rechte Schulter ein paar Probleme. „Die Schulter wird etwas müde, ich kann beim Aufschlag nicht richtig beschleunigen“, berichtete Friedsam. Auch gegen Vinci musste sie sich im dritten Satz behandeln lassen. Eine Aufgabe kam aber zu keinem Zeitpunkt infrage, dafür sind Form und Stimmung im Moment einfach zu gut.
Von der Familie kamen nach dem erstmaligen Einzug ins Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers sofort Glückwünsche per WhatsApp, ansonsten hatte sie aus ihrem 300 Einwohner kleinen Heimatdorf Oberdürenbach noch nichts gehört. „Die schlafen ja alle noch“, sagte Friedsam.
Weil es in dem kleinen Eifelort keinen Tennisplatz gibt, musste Friedsam früher immer im rund 45 Minuten entfernten Koblenz trainieren, wo sie auch zur Schule ging. „Weil mein Vater dort gearbeitet hat, hat er mich morgens und abends immer mitgenommen. Das waren schon anstrengende Tage“, erzählte Friedsam. Doch inzwischen zahlt sich der Einsatz aus, Melbourne soll erst der Anfang sein.