Halbfinal-Gipfel Murray gegen Federer
London (dpa) - Als sich Andy Murray und Roger Federer zuletzt gegenüberstanden, erlebte der Brite ausgerechnet vor heimischem Publikum eine der schlimmsten Demütigungen seiner Karriere.
0:6, 1:6 verlor Murray im vergangenen November bei der ATP-WM in London und musste sich reichlich Spott und Häme gefallen lassen. Und auch seine von Anfang an teilweise argwöhnisch beäugte Trainerin Amélie Mauresmo geriet nach der deftigen Pleite im Gruppenspiel schwer in die Kritik.
Knapp acht Monate später werden vor dem Halbfinal-Gipfel in Wimbledon die Geschichten und Schlagzeilen von damals wieder hervorgekramt. „Es war eine heftige Niederlage, ohne Zweifel“, sagte der 28 Jahre alte Schotte vor dem insgesamt 24. Vergleich mit dem siebenmaligen Wimbledon-Champion an diesem Freitag und ergänzte: „Aber ich habe versucht, auf die richtige Art und Weise damit umzugehen.“
Natürlich sei das Ergebnis „peinlich“ gewesen, erzählte Murray in der Pressekonferenz nach seinem Viertelfinal-Sieg gegen den Kanadier Vasek Pospisil. Der stets grübelnde und analytische Profi hat seinen eigenen Weg gefunden, mit den Dämonen der Vergangenheit umzugehen. Einerseits schaut sich Murray Matches gegen Federer wie das verlorene Wimbledon-Endspiel 2012 oder das gewonnene Olympia-Finale drei Wochen später jetzt nochmals auf Video an. Andererseits sagt er: „Ich glaube nicht, dass die Partien, die wir in der Vergangenheit gegeneinander gespielt haben, all zu viel Einfluss auf Freitag haben werden.“
An diesem Tag kommt es auf dem bekanntesten Centre Court der Welt zum ersten echten Gigantengipfel der 129. Wimbledon-Auflage. Der Erfolg des deutschen Außenseiters Dustin Brown gegen Rafael Nadal, der Zittersieg von Boris-Becker-Schützling Novak Djokovic nach 0:2-Satzrückstand gegen Kevin Anderson und selbst der Fünf-Satz-Krimi im Viertelfinale zwischen dem unterlegenen French-Open-Sieger Stan Wawrinka und dem Überraschungs-Halbfinalisten Richard Gasquet sind schon jetzt nicht mehr als statistische Fußnoten der Turnierhistorie.
Der spannungsgeladene Freitag entscheidet für die vier verbliebenen Protagonisten über Erfolg und Misserfolg. An die Halbfinalisten wird sich in ein paar Jahren kaum jemand erinnern, die Endspiel-Teilnehmer verewigen sich in der Geschichte. Djokovic geht als klarer Favorit in das Duell mit dem Franzosen Gasquet. Und wenn die Eindrücke der vergangenen Tage nicht trügen, dürfte auch Federer in seinem zehnten Wimbledon-Halbfinale nur schwer von Murray aufzuhalten sein.
Der 33 Jahre alte Schweizer hat seit seinem Wimbledonsieg vor drei Jahren keines der vier großen Turniere mehr gewonnen und sehnt sich so sehr nach einer 18. Grand-Slam-Krone und seinem achten Wimbledon-Titel, was noch keinem Spieler vor ihm gelang. Im direkten Vergleich mit Murray führt Federer hauchdünn mit 12:11 Siegen.
Dem bislang letzten Erfolg und dem vieldiskutierten 6:0, 6:1 misst der Ausnahmeathlet aus Basel jedoch kaum Bedeutung bei. „Um ehrlich zu sein, ich glaube, Andy war damals ein bisschen kaputt, als wir gegeneinander gespielt haben. Ich habe ein gutes Match gezeigt, aber das war nicht der Andy, wie wir ihn sonst auf dem Platz kennen“, sagte Federer. Im Halbfinale wartet mit Sicherheit ein anderer Andy.