In der Ruhe liegt seine Kraft: Struff fordert Isner

New York (dpa) - Von der beschaulichen Bundesliga auf die ganz große Bühne: Nach seinem packenden Fünf-Satz-Drama in Runde eins fordert Jan-Lennard Struff am Donnerstag bei den US Open Amerikas Top-Star John Isner heraus.

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„Das wird eines der schönsten Spiele meiner Karriere“, sagte der 24 Jahre alte Tennisprofi aus dem nordrhein-westfälischen Warstein. „Ich hoffe, dass ich auch gegen ihn eine gute Leistung zeigen kann.“ Etwas mehr als zwei Wochen ist es erst her, dass Struff mit seinem Verein TC Blau-Weiss Halle die deutsche Meisterschaft durch ein 6:0 gegen den TV Reutlingen gewann.

Vor rund 2000 Fans im Schatten des Gerry-Weber-Stadions von Halle holte er damals gegen einen Rumänen namens Victor Crivoi den ersten Punkt und wurde später für seine Saisonbilanz von 9:0-Siegen als Mr. Bundesliga ausgezeichnet. Jetzt darf der stille Sauerländer an diesem Donnerstag (nicht vor 19.00 Uhr MESZ) in das 10 000 Zuschauer fassende Louis-Armstrong-Stadium von New York, die zweitgrößte Arena auf der Anlage im Flushing Meadows Corona Park. Überraschenderweise setzten die US-Open-Organisatoren die Partie gegen die Nummer eins der Gastgebernation nicht im Arthur-Ashe-Stadium an.

Die Schlägerkunst hat Struff im Warsteiner Tennispark erlernt, Vater Dieter ist dort Sportwart, Mutter Martina arbeitet als Tennislehrerin. Bei einem Grand-Slam-Turnier hat er es erst zum dritten Mal überhaupt in die zweite Runde geschafft. Der ATP-Computer führt ihn auf Platz 77. Bei der knappen Niederlage in Frankreich im April gehörte Struff erstmals zum deutschen Davis-Cup-Team, kam in Nancy aber nicht zum Einsatz. „Das hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich spiele sehr gern in einer Mannschaft“, sagte Struff - eine eher untypische Aussage für die Individual-Sportart Tennis.

Vom Andrang bei der Pressekonferenz scheint der 1,96 Meter große Struff überrascht, wirkt fast ein wenig eingeschüchtert. Mit leiser Stimme betont er gefühlte hundert Mal, dass er ein „eher ruhiger Typ“ sei, dass es ihm helfe, „auf dem Platz ruhig zu bleiben“ und dass er „schon als Kind immer ruhig“ war. Und dann sagt er noch den schönen Satz: „Ich freue mich schon riesig, aber ich vermittel das nicht so.“

Gerade eben hatte Struff gegen den Kasachen Michail Kukuschkin, als Nummer 50 der Welt immerhin fast 30 Plätze besser eingestuft als der Westfale, einen 0:2-Satzrückstand noch gedreht. Nach 3:13 Stunden hatte er seinen Kontrahenten 2:6, 3:6, 6:3, 6:3, 7:5 niedergerungen. Nach einem wahren Rollercoaster und drei vergebenen Matchbällen beim Stand von 5:4. Zum zweiten Mal erst bestritt er am Dienstag ein Tennis-Match über fünf Sätze. Doch statt zur Regeneration in die Eistonne zu steigen, setzte er sich erst einmal aufs Rad.

„Ein Eisbad habe ich noch nie gemacht“, erzählte Struff, die weiße Baseballmütze verkehrt herum auf dem Kopf und die riesige Flasche mit einem gelben isotonischen Sportgetränk vor sich auf dem Tisch. Der Totenkopf auf seinem T-Shirt passt so gar nicht zu seinem Auftreten. „Ich habe mich ein bisschen ausgeruht und habe versucht, ein bisschen runterzukommen“, sagte Struff in seiner Tonlage, die ein wenig an den Kabarettisten Rüdiger Hoffmann („Ja, hallo erst mal“) erinnert.

Humor hat auch Struff. Vor dem Duell mit Aufschlagmaschine Isner sagte er verschmitzt lächelnd: „Nach diesem Spiel ist es vielleicht gar nicht so schlecht, wenn man nicht so lange Ballwechsel hat.“