Julia Görges: „Martina Hingis war mein Vorbild“
Paris (dpa) - Mit ihren jüngsten Erfolgen hat sich Julia Görges ins Rampenlicht gespielt. Das deutsche Damen-Tennis ist dank ihr und Andrea Petkovic vor den am 22. Mai beginnenden French Open wieder en vogue.
Erstmals seit 1999 stehen zwei deutsche Spielerinnen in den Top 20. Im Interview der Nachrichtenagentur dpa spricht die Bad Oldesloerin Görges darüber, wie sie mit dem neuen Rummel um ihre Person umgeht, wer ihr Vorbild war und was sie den deutschen Tennis-Herren wünscht.
Frau Görges, das deutsche Damen-Tennis ist in aller Munde. Hätten Sie zu Jahresbeginn mit einem derart rasanten Aufstieg gerechnet?
Görges: „Eher nicht, man hat oft auch gar nicht das Bewusstsein für die eigene Stärke. Die jetzige Situation gibt einem Selbstbewusstsein, darf aber nicht den Blick dafür verstellen, dass man weiter arbeiten muss - dieser Job ist nie zu Ende. Es ist gut, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht, aber man sollte auch nicht zu viel erwarten. Wir müssen in die Situation ja auch erst hineinwachsen.“
Was hat sich seit Ihrem Höhenflug und dem erstmaligen Sprung unter die Top 20 für Sie verändert? Wird Ihnen der Rummel um ihre Personen manchmal schon zu viel?
Görges: „Einiges ist neu: Medientermine, Sponsorenanfragen, die Verarbeitung dessen, was in den letzten Wochen geschehen ist - und ich merke, dass es manchmal auch zu viel wird. Aber du musst damit klar kommen und auch mal sagen: 'Nein, jetzt gerade nicht.' Die Tage zu Hause haben mir ganz gut getan, um ein wenig Abstand zu den Dingen zu bekommen. Ich fühle mich mental gut erholt.“
Der letzte Grand-Slam-Sieg einer deutschen Tennisspielerin datiert aus dem Jahr 1999. Wann können die deutschen Fans wieder jubeln ?
Görges: „Ich hoffe, dass in Deutschland über zwei Spielerinnen in den Top 20 auch schon gejubelt wird. Wohin die Reise geht, ist Spekulation, die einem eher Energie raubt.“
Welche Rolle hat Steffi Graf in Ihrer Tennis-Karriere gespielt?
Görges: „Ehrlich gesagt, war zeitbedingt Martina Hingis mein Vorbild, der ich nacheifern wollte. Steffi ist natürlich unerreicht und wird es wohl auch bleiben. Ihre legendären Erfolge, ihre professionelle Einstellung auf dem Platz und ihre menschliche Bescheidenheit sind bewundernswert.“
Der Sprung in die Top 20 ist geschafft. Wann sehen Sie sich in den Top Ten?
Görges: „Ich sage eigentlich nie Nummern und denke auch nicht in Ranglistenplätzen. Mein Ziel war es dieses Jahr, unter die Top 32 zu kommen, um bei den Grand Slams auch konstant gesetzt zu sein. Das habe ich erreicht. Diese Position möchte ich zunächst mal halten. Ich denke jetzt nicht über die Top Ten nach, sondern nur darüber, wie ich mein Spiel verbessern kann. Gelingt dies, gelingen auch andere Sachen, über die man sich dann wieder freuen kann.“
Beim ersten Grand-Slam-Turnier in Melbourne haben Sie und Andrea Petkovic für Furore gesorgt. Was ist in Paris drin?
Görges: „Ich habe bisher bei Grand Slams im Einzel noch nicht so viel vorzuweisen. Einmal dritte Runde - das ist der Stand auf dem Blatt Papier. Sehr zufrieden wäre ich, wenn ich das Achtelfinale erreiche. Das ist realisierbar, aber auch eine schwierige Aufgabe.“
Sie hatten zuletzt Rückenprobleme. Muss man sich Sorgen machen?
Görges: „Nein, keine Sorgen, es gab eine gewisse Überlastung und wenn die Muskeln zu hart werden, ziehen sie an allen Ecken und Enden, was an mehreren Stellen Schmerzen verursacht. Die Ursache ist aber der untere Rücken. Ein wenig Pause hat gut getan, ich bin schon fast wieder hergestellt.“
Andrea Petkovic ist Ihnen noch drei Plätze voraus. Was hätten Sie gerne von ihr?
Görges: „Ich bin generell ein Mensch, der auf sich selbst achtet und nicht so sehr auf andere schaut. Ich denke, man muss mit sich selbst zufrieden sein und an sich selbst arbeiten. Nach anderen zu trachten, ist für mich keine gute Lebenseinstellung.“
Die Männer hinken Ihnen gerade ein bisschen hinterher. Haben Sie einen Tipp für Florian Mayer und Co.?
Görges: „Na ja, Florian ist seit kurzem die Nr. 21 der Welt, soweit hinkt da nichts hinterher. Man kann da sicherlich keine Tipps geben, wie die Dinge noch besser werden. Bei uns Damen, speziell bei mir, gab es in den letzten Wochen als Initialzündung die Erkenntnis, dass wir mit unserem Spielniveau wirklich gute Spielerinnen bezwingen können. Das hat zu neuem Selbstbewusstsein geführt - eine derartige Initialzündung wünsche ich den deutschen Männern.“