Kerber: Erst der Eiffelturm, dann ins Viertelfinale?
Paris (dpa) - Angelique Kerber will in Paris hoch hinaus: Am Samstag will Deutschlands Top-Tennisspielerin auf den Eiffelturm hinauf. Die Kielerin genießt dieser Tage ihre Zeit in der französischen Hauptstadt.
Im Gegensatz zum Vorjahr, als sie nach der frustrierenden Erstrunden-Pleite gegen die harmlose Rumänin Edina Gallovits-Hall die Talsohle ihrer Karriere erreicht hatte. Nun steht sie als gereifte, mental starke Weltranglisten-Zehnte mit riesigem Kämpferherz erstmals im Achtelfinale der French Open. Und wenn sie am Sonntag auch noch die ungesetzte Kroatin Petra Martic schlägt? Dann traut Bundestrainerin Barbara Rittner ihr „alles“ zu.
Die US-Open-Halbfinalistin selbst will lieber nichts über ihre Favoritenrolle gegen Martic oder gar ihre guten Halbfinalchancen nach dem Aus von Mitfavoritin Agnieszka Radwanska hören: „Ich lass es nicht an mich ran, aber ich weiß, was ich kann.“ Zunächst einmal empfindet sie die Runde der besten 16 als „großen Erfolg, weil Sand eigentlich bis jetzt nicht so mein bester Belag war“. Das ist 2012 anders, wie sie schon mit der Semifinalteilnahme in Rom unterstrich.
In Paris zeichnet die 24-Jährige bisher aus, dass sie äußeren Widrigkeiten und spielerischen Hängern in der Art einer echten Spitzenspielerin trotzt. Das sah man am Freitagabend in ihrem Match gegen die unbequeme Italienerin Flavia Pennetta in der Dämmerung über dem Bois de Boulogne. Kerber wurde erst nach schier endlosem Warten - und Beyoncé und Rihanna auf ihrem iPod in der Dauerschleife - um 19.35 Uhr auf den Platz geschickt. Sie spielte damit wie tags zuvor Tommy Haas gegen die drohende Dunkelheit. Zudem lag sie dann auch noch einen Satz zurück. Am Ende gewann sie aber nach einem „geilen Fight“ (Rittner) 4:6, 6:3, 6:2. Mit einer 14:0-Bilanz ist Deutschlands neue Nummer eins die Dreisatz-Königin des Jahres.
„Ich hatte Vertrauen zu mir und meinen Beinen“, meinte Kerber über das „physisch sehr harte Match. Wir saßen beide in der Umkleide und waren platt“. Ihre neue Fitness, hart erarbeitet in der Waske/Schüttler-Akademie in Offenbach, ist ein großer Erfolgsfaktor. Hinzu kommt - wie Rittner meint - ein „sehr gutes verlässliches Team, das sie sich aufgebaut hat, in dem sie sich wohlfühlt und in dem alle sie sehr gut kennen“. Die eher introvertierte, sensible „Angie“ wird wieder von ihrem Coach aus Kindertagen auf der Tour begleitet: Torben Beltz aus Itzehoe in Schleswig-Holstein, der auch schon Mona Barthel trainiert hat. Mentalcoach Holger Fischer stärkt ihre Psyche weiter. Manager Aljoscha Thron hält ihr den Rücken frei.
Eine von Kerbers Spezialitäten ist es auch, Matchbälle abzuwehren und dann noch Partien zu gewinnen. Das gelang der diesjährigen Siegerin des Pariser Hallenturniers und von Kopenhagen 2012 bereits viermal. Die unbändige Kämpferin kann beeindruckend aus der Defensive in die Offensive umschalten, ihr Linkshänder-Spiel clever einsetzen - und sie verfügt über das größte Talent aus der aufstrebenden Truppe der deutschen Spitzenspielerinnen. Ihre oft waghalsig erscheinenden Stopps in wichtigen Situationen spielt sie „aus dem Gefühl heraus“.
Dem Höhenflug der rapide gereiften Schleswig-Holsteinerin scheinen keine Grenzen gesetzt. Allerdings ist der Name der Newcomerin noch nicht jedem im Tennis-Zirkus geläufig. In der ersten Runde nannte sie der Schiedsrichter Nicholas Stellabotte hartnäckig „Angelika“.