Kerber im Kreis der Sieger - Keine Zeit zum Feiern
Paris (dpa) - Der Jubel von Angelique Kerber nach ihrem Turniersieg in Paris glich einer Erlösung: Es ist gerade einmal sieben Monate her, da saß sie daheim in Kiel und überlegte ernsthaft, ob sie den Tennis-Schläger in die Ecke pfeffern sollte.
Elfmal war die Norddeutsche in der ersten Jahreshälfte 2011 bei Turnieren in der ersten Runde gescheitert, der Spaß am Sport war vollkommen verflogen. Doch dann sagte sie sich, dass das noch nicht alles gewesen sein konnte. Auf Anraten von Andrea Petkovic quartierte sie sich in der Schüttler-Waske-Akademie in Offenbach ein und arbeitete so hart, wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Den Lohn für all die Qualen und Entbehrungen gab es in Paris, wo Kerber sogar den ersten Turniersieg ihrer Karriere feierte.
„Dass ich hier gewonnen habe ist einfach unglaublich“, sagte die Fed-Cup-Spielerin und streckte die Siegertrophäe voller Stolz in die Höhe. „Ich spiele jetzt viel selbstbewusster. Ich weiß, dass ich mit den Topspielerinnen mithalten kann“, meinte die 24-Jährige, die in einem umkämpften Finale Lokalmatadorin Marion Bartoli in 2:29 Stunden mit 7:6 (7:3), 5:7, 6:3 in die Schranken wies.
„Das werde ich sicher ein paar Tage genießen“, sagte Kerber im Überschwang der Gefühle. Da hatte sie vergessen, dass wenig später bereits der Flieger nach Doha ging, wo das nächste Turnier der Premium-Kategorie ansteht. In der ersten Runde kommt es dort zum brisanten Duell mit der Berlinerin Sabine Lisicki.
Mit ihrem Erfolg unweit des Eiffelturms, der ihr 107 000 Dollar und den Sprung auf Platz 22 der Weltrangliste einbrachte, hat Kerber dem deutschen Fräulein-Wunder im Tennis ein weiters Kapitel hinzugefügt. „Glückwunsch du Süßknopf“, twitterte Petkovic begeistert. Nach der deutschen Nummer eins, Lisicki und Görges ist Kerber die vierte deutsche Spielerin, die ein Turnier gewonnen hat. Das bittere Fed-Cup-Aus gegen Tschechien eine Woche zuvor geriet dadurch schnell wieder in Vergessenheit.
„Die positive Entwicklung von Angelique ist kein Zufall, sondern das Ergebnis harter Arbeit“, lobte Fed-Cup-Teamchefin Barbara Rittner. Schon bei den US Open in New York zahlte sich der Wandel 2011 mit dem überraschenden Einzug ins Halbfinale aus. „Das war der Durchbruch“, sagte Kerber. Doch die Linkshänderin ruhte sich darauf nicht aus. In der Pause zwischen den Jahren bezog sie wieder eines der spartanischen Zimmer in Offenbach und rackerte zusammen mit Petkovic zwölf Stunden am Tag.
Fitter denn je startete die Schleswig-Holsteinerin in die Saison und sorgte mit zwei Halbfinal-Teilnahmen in Auckland und Hobart für Aufsehen. Bei den Australian Open scheiterte sie in der dritten Runde noch an Maria Scharapowa. „Da war ich ein bisschen geschockt, gegen sie zu spielen, weil Maria so eine großartige Spielerin ist“, sagte Kerber.
In Paris war der Respekt verflogen, im Viertelfinale warf sie die ehemalige Nummer eins raus und feierte ihren ersten Sieg gegen eine Top-Fünf-Spielerin. „Sie steht wirklich kurz vor dem Durchbruch“, lobte die Russin nach ihrer Niederlage. Auch Tennis-Legende Martina Navratilova bezeichnete sie als „äußerst interessante Spielerin.“ In Doha will Kerber dies erneut bestätigen.