Kohlschreibers Traum: Zweiter Turniersieg in München
München (dpa) - Seinen großartigen Heimspiel-Triumph feierte Philipp Kohlschreiber im Münchner Nieselregen mit aufgepusteten Backen. Das Gesicht vergrub der Augsburger schnell in einem riesigen weißen Handtuch.
So richtig realisieren konnte der Tennisprofi seinen zweiten Erfolg beim bayerischen ATP-Turnier nach 2007 zunächst nicht - erst viel später am Sonntag fand er Worte: „Ich war zu 110 Prozent da. Hier in München zu gewinnen, ist einfach unglaublich!“
Nach seinem ersten verwandelten Matchball im Finale beim 7:6 (10:8), 6:3-Erfolg gegen den Kroaten Marin Cilic schnaufte der Bayer erstmal tief durch und setzte sich erschöpft auf seine kleine Bank am Rande des Centre Courts. „Es ist so schön“, stammelte Kohlschreiber ins Mikrofon - und versuchte sein Erfolgsrezept nach vier Siegen in vier Spielen bei den BMW Open zu erklären: „Ich war mental ganz stark in diesen Tagen. Ich bin inzwischen viel lockerer geworden.“
Mit aller Macht hatte Kohlschreiber nach einer sportlich sowieso schon grandiosen Woche in der entscheidenden Partie gegen Cilic seinen Siegeswillen demonstriert, vor allem aber Nervenstärke bewiesen. Nach zwei hart umkämpften Sätzen und 1:48 Stunden Spielzeit riss er unter dem Jubel der rund 4000 Anhänger seine Arme nach oben und freute sich über seinen ersten Titel auf der Profitour seit Juni 2011. Damals hatte er im westfälischen Halle gewonnen.
Vor fünf Jahren hatte Kohlschreiber zum ersten Mal auf dem bayerischen Sand gesiegt - und seitdem immer wieder vom „Traum“ des zweiten Erfolges beim mit 450 000 Euro dotierten Turnier gesprochen. „Damals hat alles mit mir hier angefangen“, meinte er rückblickend. Kohlschreibers fünfter Erfolg im achten Duell mit Cilic brachte den angepeilten Erfolg, nachdem er im Halbfinale schon den starken Weltranglisten-16. Feliciano Lopez (Spanien) ausgeschaltet hatte.
Neben einem Preisgeld von knapp 72 000 Euro sicherte sich Kohlschreiber auch einen Sportwagen. „Jetzt habe ich noch einen rumstehen“, unkte der 28-Jährige. Bei der ersten Probefahrt auf dem Centre Court ließ er die Reifen durchdrehen und verjagte eine Horde Fotografen. Gegen Cilic hatte er zuvor dem schlechten Wetter mit einer beachtlichen Vorstellung getrotzt.
Mit präzisen Grundlinienschlägen brachte er den groß gewachsenen Kroaten zur Verzweiflung. „Man konnte sehen, dass ich mit viel Power spiele. Ich habe es geschafft, die Ballwechsel oft zu bestimmen - das zeichnet mich als Tennisspieler aus.“ Dem Halbfinal-Bezwinger von Tommy Haas behagte der Wetterumschwung nach Tagen voller Sonnenschein gar nicht. Mit zu wenig Tempo landeten die brachialen Schläge des 23-jährigen München-Stammgastes auf der Seite von Kohlschreiber - die schlechten Bedingungen raubten dem Osteuropäer seine Stärke.
Früh im ersten Satz gelang dem Deutschen schon das erste Break. Danach allerdings erfreute sich Cilic über ein kurzes Zwischenhoch. Zwei Satzbälle musste Kohlschreiber beim Stand von 4:5 abwehren. Auch im Tiebreak bewies der Augsburger Abgeklärtheit und nutzte unter dem Jubel der Anhänger seine dritte Chance zum Gewinn von Durchgang eins.
Im zweiten Satz nahm Kohlschreiber dem Kroaten dessen drittes Aufschlagspiel ab und schaffte bei eigenem Service das 5:2. Kurz darauf saß bei eigenem Aufschlag auch der erste Matchball: Einen perfekten Aufschlag retournierte Cilic ins Netz.
Altstar Tommy Haas war dagegen in München wieder einmal am eigenen Körper gescheitert. Im Halbfinale am Samstag zwickte nicht das Knie und auch nicht die Hüfte des verletzungsgeplagten 34-Jährigen - dafür machte Haas der Rücken schwer zu schaffen. „Ich war irgendwann einfach blockiert“, sagte Haas nach der Zwei-Satz-Pleite gegen Cilic.