Lisicki auf der Suche nach der verlorenen Form
Stuttgart (dpa) - Sabine Lisicki ist auch bei ihrem einzigen Auftritt vor deutschem Publikum in diesem Jahr früh gescheitert. Die Wimbledon-Finalistin von 2013 steckt seit Monaten in einer sportlichen Krise.
In Stuttgart wirkt sie verunsichert und innerhalb des deutschen Teams isoliert.
Lisicki hatte die Sonnenbrille hochgesteckt und die langen blonden Haare seitlich zu zwei Zöpfen gebunden. Blendend gelaunt präsentierte sich die neue deutsche Tennis-Queen der Weltpresse und plauderte über den alten roten Nissan Micra ihrer Eltern, mit dem sie früher von Turnier zu Turnier gefahren ist. Der Boulevard taufte sie „Bum-Bum-Bine“, die englischen Fans schlossen die junge Lady mit dem Dauerlächeln aus Berlin in ihr Herz.
Keine zehn Monate sind seit dem ungekrönten Sommermärchen und dem ersten Finaleinzug einer Deutschen seit Steffi Graf beim wichtigsten Tennisturnier der Welt vergangen. Heute wirkt das Wunder von Wimbledon so weit weg wie der benachbarte VfB Stuttgart von der Meisterschale. Mit geröteten Augen betrat Lisicki das kleine Podium im Presseraum der Stuttgarter Porsche-Arena.
Mit reichlich glitzerndem Goldschmuck an den Fingern, am Handgelenk und um den Hals - aber sportlich nur noch ein matter Abglanz dieser wunderbar-verrückten Sommertage 2013. Gescheitert in der ersten Runde beim einzigen Auftritt vor deutschem Publikum in diesem Jahr.
Nun ist eine Niederlage gegen die Sandplatz-Liebhaberin Ana Ivanovic keine Schande. Doch die Art und Weise, wie sich die 24 Jahre alte Hingis-Schülerin gegen die frühere Weltranglistenerste und ehemalige French-Open-Siegerin den erwartungsfrohen Fans auf dem vollbesetzten Centre Court präsentierte, ist schlicht erschreckend zu nennen.
„Mein Selbstvertrauen ist nicht vorhanden, das sehen Sie doch alle. Die Routine ist einfach noch nicht da, man kann nicht zu viel erwarten“, sagte Lisicki mit leiser Stimme. Und dann sprach die 1,78 Meter große Athletin ausführlich und detailliert über ihre Schulterprobleme, die sie zu einer dreiwöchigen Pause zwangen. Dass sie „zum ersten Mal seit Monaten“ ohne Schmerzen auf dem Platz gestanden, zuletzt gar kein Tennis gespielt und sich zweimal täglich in der Physiotherapie und Reha gequält habe.
Geschickt gelang es der in den USA lebenden Berlinerin, ihre Verletzung in den Mittelpunkt der halböffentlichen Debatte zu stellen und charmant um Verständnis zu bitten für ihre Formkrise. Dass der sportliche Absturz nun schon Monate andauert, dass über ihre Beziehung zu Comedian Oliver Pocher getuschelt und gelästert wird und dass sie sich zuletzt sogar gegen Vorwürfe wehren musste, ihr seien die roten Teppiche dieser Welt wichtiger als die gleichfarbigen Sandplätze der Tennis-Tour - keiner traute sich danach zu fragen. Manager Olivier van Lindonk vom Vermarktungsriesen IMG wirkte fast ein bisschen wie ein Leibwächter, als er seine Klientin zur Pressekonferenz geleitete.
Es war schon auffällig, dass „Sabine Lisicki“ derzeit offensichtlich ein Reizthema ist. Bundestrainerin Barbara Rittner, Turnierdirektorin Anke Huber oder auch Mitglieder des Fed-Cup-Final-Teams - so recht wollte keiner über das Problemkind sprechen. „Sie muss jetzt Woche für Woche hart arbeiten und dranbleiben, um wieder Selbstvertrauen zu bekommen und zu ihrer alten Form zurückzufinden“, sagte Rittner am Abend, ehe sie ins Hotel zu ihrer kranken Hündin Sophie eilte.
Für das Fed-Cup-Halbfinale in Australien hatte die Teamchefin bewusst auf die formschwache Lisicki verzichtet. Zwar würde sie es öffentlich nie so sagen - und doch waren der Kölnerin kurz vor ihrem 41. Geburtstag an diesem Freitag Ratlosigkeit und Unverständnis ob Lisickis Auftreten nicht nur bei der 1:6, 3:6-Pleite anzumerken. Deren Bilanz liest sich ernüchternd: Drei Siege nacheinander gelangen ihr seit Wimbledon nur im Oktober 2013 beim Halbfinaleinzug in Luxemburg.
Und doch saß Lisicki drei Tage vor ihrem ersten Match in Stuttgart in der SWR-Fernsehsendung „Sport im Dritten“ und sagte: „Der Grand-Slam-Titel und die Nummer eins waren schon immer mein Ziel und werden es auch bleiben. Das ist meine tägliche Motivation.“