Nadal in Wimbledon raus - Brown und Reister stark
London (dpa) - Nur wenige Minuten nach seinem denkwürdigen Erstrunden-Debakel in Wimbledon versuchte Rafael Nadal das Unerklärliche irgendwie erklärbar zu machen. 6:7 (4:7), 6:7 (8:10), 4:6 hatte der bislang so dominierende Spieler dieser Tennis-Saison gerade gegen den Belgier Steve Darcis verloren.
Gegen die Nummer 135 der Welt, der noch nie bei einem Grand-Slam-Turnier über die dritte Runde hinauskam. Gegen einen Spieler, der bei den vier Majors bislang so viele Erstrunden-Niederlagen kassierte wie Nadal Titel sammelte (12).
Und noch etwas fanden die flinken Statistiker der Tennis-Organisationen heraus: Erstmals seit dem Brasilianer Gustavo Kuerten im Jahr 1997 verlor der amtierende French-Open-Champion in der ersten Wimbledon-Runde. All dies interessierte Nadal nicht. Seine Augen waren kaum zu sehen, als der zweimalige Wimbledon-Champion sagte: „So ist der Sport. Es ist keine Tragödie, es ist kein Drama. Das Leben geht weiter.“
Das Gefühl einer Auftaktniederlage bei einem der vier wichtigsten Turniere weltweit ist neu für ihn: Noch nie verlor er so früh. „Ich habe nie ins Spiel gefunden, er hat sehr gut gespielt“, sagte Nadal, der sein weißes Hemd gegen ein textmarkergrünes Shirt eingetauscht hatte und ohne Erfolg versuchte, etwas Hoffnungsvolles zu verbreiten.
„Ich werde es wieder versuchen“, murmelte er. Energisch und genervt reagierte der achtmalige Roland-Garros-Rekordsieger nur auf Fragen nach seinem bandagierten Knie und seiner Gesundheit. „Ich will heute nicht darüber sprechen“, sagte er. „Alles, was ich dazu sagen würde, würde wie eine Ausrede klingen“, sagte der angeschlagen wirkende Nadal, der sich auf dem grünen Rasen zuvor offensichtlich nicht schmerzfrei bewegen konnte.
Dabei war sein Comeback bislang so vielversprechend verlaufen. Sieben Turniersiege feierte Nadal schon in diesem Jahr, darunter zuletzt bei den French Open in Paris. Doch all die Debatten um die Setzliste und ein mögliches Duell mit Titelverteidiger Roger Federer schon im Viertelfinale sind nun schon nach dem ersten Turniertag obsolet. Weil ein Belgier mit dem Spitznamen „Hai“ auf dem Heiligen Rasen gegen die Nummer fünf der Setzliste für eine der größten Überraschungen der jüngeren Tennis-Historie sorgte.
Nach knapp drei Stunden verwandelte er auf Court 1 mit einem Ass seinen ersten Matchball. Während Nadal enttäuscht seine weiße Jacke überstreifte, applaudierten die Zuschauer Darcis mit einer Mischung aus Entsetzen und Bewunderung. „Ich habe mich nur auf mich selbst konzentriert. Und ich habe es großartig gemacht“, sagte Darcis. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin sehr glücklich.“
Dadurch gerieten die erfreulichen Ergebnisse aus deutscher Sicht zur Randnotiz. Andrea Petkovic und die Qualifikanten Dustin Brown und Julian Reister zogen in die zweite Runde ein. Ausgeschieden sind dagegen Benjamin Becker aus Mettlach, der Lübecker Tobias Kamke, Tatjana Maria aus Bad Saulgau und der Ditzinger Bastian Knittel.
Im Gegensatz zu seinem Dauerrivalen Nadal hielt sich Federer schadlos. Nur 69 Minuten brauchte der 31 Jahre alte Schweizer für seinen 6:3, 6:2, 6:0-Erfolg gegen den Rumänen Victor Hanescu. Nun wartet der Ukrainer Sergej Stachowski auf den Ranglisten-Dritten.
„Ich bin sehr glücklich, es war eine großartige erste Runde. Es war zwar ziemlich kalt, aber viel besser hätte es nicht laufen können“, sagte Federer nach dem ungleichen Match gegen den gleichaltrigen Kontrahenten. „Halle kam zur rechten Zeit“, sagte er im Rückblick auf seinen Turniersieg in Westfalen vor einer Woche.