Noch ein Schritt zum Serena-Slam
London (dpa) - Serena Williams wollte einfach nur ihre Ruhe haben. Nichts und niemand sollte die Ausnahmeathletin aus Palm Beach Gardens am Tag vor ihrem ersten Wimbledon-Endspiel seit drei Jahren stören.
Auch wenn die 33-Jährige dieser Tage so gerne mit dem Gegenteil kokettiert und von Bestmarken und Steffi-Graf-Rekorden nichts hören will: Es steht einfach zu viel auf dem Spiel im Finale gegen die Spanierin Garbiñe Muguruza.
Im Gegensatz zu ihrer 21 Jahre jungen Kontrahentin gibt Williams keine Pressekonferenz mehr. Was sollte sie auch noch sagen? Zuletzt hatte sich die 20-malige Grand-Slam-Siegerin und fünfmalige Wimbledon-Gewinnerin ohnehin ein Schweigegelübde auferlegt, wenn es um das Lieblingsthema der Reporter aus der ganzen Welt ging.
Die Chance auf ihren zweiten Serena-Slam nach 2002/2003 mit aufeinanderfolgenden Siegen bei den vier wichtigsten Turnieren? Die Aussicht auf den ersten echten Grand Slam seit Steffi Graf im Jahr 1988? Die Jagd nach der Rekordzahl von 22 Grand-Slam-Trophäen, die die größte deutsche Tennisspielerin der Profi-Geschichte gewann?
„Sie strebt nach Unsterblichkeit“, schrieb die „Daily Mail“, die „Times“ sah Williams bereits „in die Stratosphäre“ abgehoben. Tatsächlich hat nie zuvor eine Tennisspielerin ihre Sportart als Einzelne derart dominiert wie diese außergewöhnliche Amerikanerin.
Mit 279 Siegen auf Grand-Slam-Niveau hat sie Graf (278) in dieser Rubrik bereits überholt. 2015 hat sie erst eine Niederlage auf dem Platz kassiert: im Halbfinale von Madrid gegen die bereits entthronte Wimbledon-Titelverteidigerin Petra Kvitova aus Tschechien.
Und bei aller Hochachtung vor der erfrischend unbekümmert aufspielenden und außerhalb des Platzes auftretenden Muguruza scheint ein weiterer Coup der jungen Dame aus Barcelona nur schwer vorstellbar. „Jetzt will ich das Turnier auch gewinnen“, sagte sie zwar nach ihrem Halbfinal-Sieg gegen Agnieszka Radwanska keck.
Doch die in Venezuela geborene Muguruza steht zum ersten Mal in ihrer vielversprechenden Karriere in einem Grand-Slam-Finale, für Williams ist es Nummer 25. Nur vier davon hat sie verloren. Im Halbfinale demontierte Williams die Russin Maria Scharapowa, immerhin Wimbledonsiegerin 2004 und von Montag an neue Nummer zwei der Welt.
„Ich habe so viele Grand-Slam-Titel gewonnen. Ich bin einer Position, in der ich keinen weiteren Wimbledon-Titel brauche. Ich brauche keinen weiteren US-Open-Titel. Ich brauche überhaupt keine Titel mehr“, behauptete Williams, als sie sich am späten Donnerstagabend für eine knappe halbe Stunde den Fragen der Presse stellte.
Die wilde Lockenmähne hatte sie unter einer weißen Kappe gebändigt und plauderte ein wenig über die Halbfinals bei den Herren, über ihre längst zurückgetretenen früheren Kontrahentinnen wie Justine Henin oder den amerikanischen Golfprofi Jordan Spieth. Bei Fragen nach Rekorden drückte sie die „Stummtaste“, wie sie es schmunzelnd formulierte. Und dann sagte Serena doch noch etwas, was (fast) alles erklärt: „Ich verliere nicht gerne. Ich hasse es wirklich, zu verlieren. Ich gehöre zu den Menschen, die hart arbeiten, härter als andere, um sicherzugehen, dass das nicht passieren wird.“