Serena Williams in Indian Wells: „Zeit, zu vergeben“
Indian Wells (dpa) - Serena Williams wirkte angespannt, als sie sich für rund zehn Minuten den Fragen der Journalisten stellte.
Sonst absolviert die amerikanische Tennis-Diva Pflichttermine dieser Art meist mit einer Mischung aus Langeweile und Teilnahmslosigkeit, doch diese Pressekonferenz in Indian Wells war auch für die unumstrittene Nummer eins der Damen-Tour keine ganz gewöhnliche.
Schließlich hat die 33-Jährige um das topbesetzte Event, das längst als wichtigstes Turnier nach den vier Grand Slams gilt, 13 Jahre lang einen großen Bogen gemacht. Denn mit dem Event in der südkalifornischen Wüste, das mit 5,38 Millionen Dollar dotiert ist, verbindet sie noch immer eines der dunkelsten Kapitel ihrer imposanten Karriere.
Im Endspiel 2001 gegen die Belgierin Kim Clijsters wurde die damals 19-jährige Williams von ihren amerikanischen Landsleuten das gesamte Match über ausgebuht. Vater Richard berichtete später sogar von rassistischen Beleidigungen aus dem Publikum. Ursache für die Vorfälle war das Halbfinale zwischen Serena und ihrer ein Jahr älteren Schwester Venus.
Zwei talentierte und aufstrebende Schwestern im Kampf um den Finaleinzug - das klang spannend für die US-Zuschauer. Als Venus für das Duell 20 Minuten vor Spielbeginn aufgrund einer Sehnenentzündung aber absagte, gab es laute Unmutsäußerungen der Fans und den Verdacht, Vater Richard hätte seine Hände im Spiel gehabt.
Serena Williams gewann das Endspiel in drei Sätzen, doch der Erfolg bedeutete ihr nichts. Im Gegenteil, es war ein Triumph, der mehr Schmerzen bereitete als ein verlorenes Grand-Slam-Finale. In der Umkleide weinte sie, auch auf der Rückfahrt nach Los Angeles flossen Tränen. Seitdem hat sie nicht mehr in Indian Wells gespielt, das prestigeträchtige Turnier konsequent boykottiert. „Ich dachte, ich würde niemals wieder herkommen“, sagte sie am Donnerstag.
Williams verschwieg nicht, dass sie bei der Anreise nervös war. Denn plötzlich kamen ihr Zweifel, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, die Wildcard anzunehmen. „Ich sagte mir, 'was habe ich mir nur dabei gedacht?' Diese Hürde musste ich erstmal überspringen.“
Williams kehrt nicht nach Indian Wells zurück, weil sie dort unbedingt gewinnen will, sondern weil sie in mehreren Telefonaten mit den Turnier-Offiziellen und Macher Larry Ellisson zur Erkenntnis kam, dass es Zeit sei, „zu vergeben und zu vergessen“. Beim Prozess der Vergangenheitsbewältigung habe ihr unter anderem ein Buch von Nelson Mandela geholfen. „Um in der Lage zu sein, zu vergeben, muss man wirklich loslassen können, auch all' die Emotionen“, erklärte die 19-malige Grand-Slam-Turnier-Siegerin.
Allerdings traf sie den Entschluss nicht, ohne vorher mit ihrer Familie zu sprechen. Sowohl Venus als auch ihre Eltern hätten die Entscheidung unterstützt. Vater Richard habe ihr sogar gesagt, dass es ein „großer Fehler“ wäre, wenn sie nicht zurückkehren würde.
Denn trotz aller negativen Erinnerungen verbindet sie mit dem Turnier auch positive Dinge. 1997 gewann sie hier mit Schwester Venus im Doppel ihr erstes Profi-Match. Zwei Jahre später folgte durch einen Drei-Satz-Sieg im Finale gegen Steffi Graf der erste wichtige Titel. Nun ist es Zeit für die große Versöhnung.