Wawrinka krönt Traumwoche mit Grand-Slam-Titel
Melbourne (dpa) - Nachdem er das Tennis-Drama am australischen Nationalfeiertag erfolgreich beendet hatte, wollte das breite Grinsen aus dem Gesicht von Stanislas Wawrinka gar nicht mehr verschwinden. Bei seinem geschlagenen Finalgegner Rafael Nadal flossen wenige Meter entfernt dagegen die Tränen.
Der Weltranglistenerste wurde bei den Australian Open wieder einmal von einer Verletzung gestoppt. Wegen Problemen am Rücken konnte der Spanier n Melbourne von Beginn des zweiten Satzes an nicht mehr mit voller Kraft spielen, die starke Leistung Wawrinkas auf dem Weg zum ersten Grand-Slam-Titel seiner Karriere konnte das aber nicht schmälern.
„Ich weiß immer noch nicht genau, ob ich träume oder nicht“, sagte Wawrinka nach dem dramatischen, aufwühlenden und verrückten 6:3, 6:2, 3:6, 6:3 gegen Nadal. Der 28-Jährige ist damit der erste Spieler seit dem Spanier Sergi Bruguera bei den French Open 1993, der bei einem Grand-Slam-Event die Nummer eins und zwei der Welt geschlagen hat. „Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich einmal ein Grand-Slam-Turnier gewinne“, sagte Wawrinka. „Ich habe immer alle Endspiele bei Grand-Slams im TV geschaut, weil da stets die besten Spieler gespielt haben.“ Inzwischen zählt er selbst dazu, was auch FIFA-Präsident Sepp Blatter freute. „Du hast die Schweiz heute sehr glücklich gemacht“, schrieb er seinem Landsmann via Twitter.
Im Viertelfinale hatte Wawrinka den von Boris Becker trainierten Serben Novak Djokovic ausgeschaltet, gegen den er im Vorjahr noch in fünf Sätzen verloren hatte. „Damals habe ich nach dem Spiel viel geweint und ein Jahr später stehe ich hier“, sagte Wawrinka mit dem Norman Brookes Challenge Cup in der Hand, den ihm der frühere Weltranglistenerste Pete Sampras überreichte. Zudem kassierte er 1,68 Millionen Euro Preisgeld.
Nadal war dagegen völlig geknickt. Der Iberer ließ sich erstmals zu Beginn des zweiten Satzes behandeln. Zwar spielte die Nummer eins danach weiter, war in seinen Bewegungen aber deutlich eingeschränkt. Vor allem beim Aufschlag hatte er Probleme, servierte phasenweise nur noch mit 125 Stundenkilometern. Schon während der Partie saß er bei einem Seitenwechsel weinend auf seiner Bank.
„Das war eines der emotionalsten Turniere meiner Karriere“, sagte Nadal nach der bitteren Niederlage. Damit musst der Mallorquiner weiter darauf warten, als erster Spieler seit Einführung des Profitennis alle vier Grand-Slam-Turniere jeweils zweimal zu gewinnen. „Es war sehr bitter für mich, dass ich im vergangenen Jahr nicht hier sein konnte. Ich habe hart gearbeitet, um zurückzukommen. Sorry, dass ich es so beenden musste“, sagte er frustriert.
Wawrinka zeigte vor dem ersten Grand-Slam-Finale seiner Karriere keinerlei Nervosität. Schon beim Betreten der Rod Laver Arena hatte der Schweizer ein breites Grinsen auf den Lippen, vor dem Einspielen scherzte er mit dem kleinen Jungen, der den Münzwurf vornahm. Wawrinka schien so gelöst, als bestreite er gleich irgendeinen Showkampf - und nicht das bislang wichtigste Spiel seiner Karriere.
Diese Lockerheit zeigte die neue Nummer drei der Welt dann auch auf dem Platz. Bereits zu dem Zeitpunkt, als man von Nadals Problemen noch nichts sehen konnte, hatte der Schweizer die Partie im Griff. Nach 37 Minuten sicherte er sich den ersten Satz. In den zwölf Duellen mit Nadal zuvor hatte er nicht einen einzigen Durchgang gewonnen. „Ich denke, ich habe im ersten Satz mein bestes Tennis während des gesamten Turniers gespielt“, sagte Wawrinka.
Als er Nadal kurz zu Beginn des zweiten Satzes erneut den Aufschlag abnahm, ließ sich dieser wenig später beim Stand von 1:2 erstmals behandeln und verließ den Platz. Wawrinka war mit dieser Entscheidung überhaupt nicht einverstanden. Minutenlang diskutierte er lautstark mit dem portugiesischen Schiedsrichter Carlos Ramos, weil er wissen wollte, warum Nadal sich behandeln ließ. Bei seiner Rückkehr auf den Court wurde Nadal von Teilen des Publikums mit lauten Buhrufen begrüßt. Nicht alle der 15 000 Zuschauer nahmen dem mallorquinischen Kraftpaket seine Verletzung ab.
Doch Nadal hatte sichtlich Probleme. Der sonst nur so vor Kraft strotzende 13-malige Grand-Slam-Turnier-Champion schleppte sich eine Zeitlang nur noch über den Platz. Wawrinka nutzte die Schwäche seines Gegners und holte sich rasch den zweiten Satz mit 6:2. Auf dem Weg zum Seitenwechsel wirkte es so, als überlege Nadal, ob er dem Ganzen nicht ein Ende setzen wolle. „Das Letzte, woran ich gedacht habe, ist aufzugeben. Ich hasse so etwas, besonders in einem Grand-Slam-Finale“, sagte Nadal hinterher. Letztmals hatte in Stefan Edberg 1990 ein Spieler in einem Grand-Slam-Finale aufgegeben, ebenfalls in Melbourne.
Mit Beginn des dritten Satzes schienen Nadals Schmerzen etwas nachzulassen. Während er sich nun wieder etwas besser bewegte und auch wieder deutlich härter aufschlug, verlor Wawrinka plötzlich völlig seinen Rhythmus. Die neue Schweizer Nummer eins schien mit der Situation überfordert und verlor den dritten Satz mit 3:6. Im vierten Abschnitt hatte er seine Nerven dann aber wieder im Griff und brachte den Triumph nach Hause.