Endlich geht`s los: Biathleten starten mit Einzelrennen
Leipzig (dpa) - Im Frühling hatte Erik Lesser so gar keine Lust auf Biathlon. Die Motivation für das Training war gleich null, stattdessen werkelte der zweimalige olympische Silbermedaillengewinner lieber in seiner Oberhofer Wohnung - vorzugsweise an der Renovierung des Balkons.
„Im Mai habe ich die ganze Zeit mit mir gekämpft. Da hatte ich keinen Bock, war mehr im Heimwerken drin als im Training“, bekannte der 26-Jährige freimütig.
Dass es nur bei einer kurzen Motivationslosigkeit blieb, hat er auch seinen Teamkollegen Arnd Peiffer, Daniel Böhm, Christoph Stephan und Benedikt Doll zu verdanken. „Ich war froh, dass meine Trainingsgruppe mir in den Arsch getreten hat, sonst hätte ich da wenig gemacht“, erzählte Lesser gewohnt unverblümt und mit einem herzlichen Lachen.
Man muss vor allem in der Vorbereitung viel machen, um im extrem starken Männerfeld um die Olympiasieger Martin Fourcade (Frankreich) und Emil Hegle Svendsen (Norwegen) bestehen zu können. Und das wollen die deutschen Männer auch gleich im ersten Einzelrennen der neuen Weltcup-Saison. Am Mittwoch starten sie in Östersund mit dem Einzel über 20 Kilometer. Bei dem Klassiker hatte Lesser in Sotschi Olympia-Silber gewonnen.
In der Thüringer Biathlon-Hochburg trainierte das Quintett um Lesser unter Bundestrainer Mark Kirchner und bereitete sich wie Simon Schempp, Andreas Birnbacher und Florian Graf am Stützpunkt in Ruhpolding mit dem neuen Disziplin-Trainer Andreas Stitzl akribisch vor. Zum Teil wurden die Umfänge mit längeren Laufzeiten und Kilometern erhöht, im Kraftraum an der spezifischen Kraft vor allem für den Zielsprint gearbeitet. Gravierende Veränderungen gab es aber nicht, vielmehr sind es Feinheiten bei der Lauftechnik und beim Schießen, die es noch herauszukitzeln gilt.
„Ich habe selten ein Team erlebt, das nicht nur leistungsmäßig auf so einem Niveau ist, sondern sich auch menschlich so gut versteht“, sagte Kirchner und ergänzte: „Die Olympia-Medaille hat den Athleten zusätzliches Selbstvertrauen gegeben, ebenso der erste Platz im Staffel-Gesamtweltcup. Die Silbermedaille hat unterstrichen, zu was die Jungs in der Lage sind. Darauf können wir weiter aufbauen: Wir sind noch nicht am Ende unserer Leistungsfähigkeit.“ Lesser hatte in Sotschi olympisches Einzel-Silber und mit Peiffer, Böhm und Schempp in der Staffel Silber gewonnen.
Die deutschen Herren sind im Gegensatz zu den Damen in einer komfortablen Situation. Den Generationswechsel haben sie vollzogen und eine daraus resultierende Durststrecke hinter sich gelassen. Das Team ist absolut konkurrenz- und siegfähig, die Stimmung gut. „Wir haben ein schlagkräftiges Team. Ich glaube, dass wir bei der WM sehr gute Chancen haben, gute Ergebnisse zu erzielen, sicher auch wieder Einzelmedaillen. Und in der Staffel ist die Medaille sowieso fest anvisiert“, sagte der frühere Sprint-Weltmeister Peiffer, der wie Schempp und Lesser einen Platz unter den Top Ten in der Gesamtwertung anpeilt. In der vergangenen Saison fuhren die Deutschen im Weltcup insgesamt neun Podestplätze ein, davon zwei Siege durch Schempp.
In dem enorm leistungsstarken Männerfeld, in dem bis zu 30 Athleten um die Podestplätze kämpfen können, will sich auch Andreas Birnbacher wieder beweisen. Der 33-Jährige, in den letzten Jahren einer der Leistungsträger, schaffte über den Umweg IBU-Cup die Qualifikation für Östersund. Er wurde zusammen mit Florian Graf von Kirchner für die letzten beiden Startplätze nominiert.