Heimvorteil in Ruhpolding auch für Russinnen

Ruhpolding (dpa) - Ein halbes Jahr leben die besten russischen Biathletinnen nun schon in Ruhpolding. Mit dem Deutschen Wolfgang Pichler als Trainer werden die Titelkämpfe im Chiemgau für sie zu einer echten Heim-WM.

Die deutschen Biathleten müssen sich den Heimvorteil bei der WM teilen. Denn seit 24. Oktober vergangenen Jahres haben die russischen Skijägerinnen ihr Hauptquartier im Ruhpoldinger Hotel Zellerwirt aufgeschlagen und wohl häufiger als die Deutschen auf den Anlagen unterhalb des Rauschbergs trainiert. „Der Zellerwirt ist in russischem Besitz und unsere Basis, ein Stückchen Heimat, von der aus wir die gesamte Saison gesteuert haben. Hier fühlt sich die Mannschaft wohl“, erzählt der russische Coach Wolfgang Pichler, der mit seinen Damen erst zum Weltcupfinale Mitte März nach Russland zurückkehrt. Pichler ist gebürtiger Ruhpoldinger, sein Bruder Claus Bürgermeister des Ortes.

Ihren Standortvorteil gegenüber den anderen Nationen wollen Olga Saizewa & Co. bei der am Donnerstag mit der Mixed-Staffel beginnenden WM ausspielen. Denn bei den Welttitelkämpfen 2011 im heimischen Chanty-Mansijsk blieben sie ohne Edelmetall. Danach wurde das komplette Trainerteam ausgetauscht, Pichler übernahm das Kommando.

Der 57-Jährige hat großes Renommee. 1992 führte er Jens Steinigen zu Olympia-Gold mit der Staffel. In 16 Jahren als schwedischer Trainer holte er insgesamt 30 olympische und WM-Medaillen. Der von ihm erhoffte Ruf zum Deutschen Skiverband blieb aber für den kantigen Trainer aus. Also ergriff der ohne Dienstbezüge vom deutschen Zoll freigestellte Bayer das - wie Pichler nicht bestreitet - lukrative Angebot aus Russland.

„Das war meine letzte Chance, noch mal etwas Neues zu machen. In Russland steckt viel Potenzial und 2014 wird es in Sotschi die Winterspiele geben“, hatte er seinen Wechsel begründet. „Unser Ziel für dieses Jahr ist es, den Nationencup zu gewinnen. Das gelang den Russinnen 2005 zum letzten Mal“, erklärt Pichler.

Dass 2014 in Sotschi nur nach Medaillen abgerechnet wird, ist ihm klar, auch wenn er nur davon spricht, er solle die beste Mannschaft für Olympia finden. Und das alles natürlich ohne Doping. „Schließlich habe ich einen Ruf zu verlieren“, weiß der als wortgewaltiger Doping-Gegner bekannte Bayer, für den der bis 2014 befristete Vertrag auch ein „Abenteuer ist, das viel Spaß macht“.

Pichler vertraut der seit zwei Jahren neuen Führung im russischen Biathlon-Verband um den milliardenschweren Oligarchen Michail Prochorow, der im März sogar als Putin-Herausforderer bei der russischen Präsidenten-Wahl antreten will. Pichlers direkter Ansprechpartner ist IBU-Vizepräsident Sergej Kuschenko.

Bisher ist dem Ruhpoldinger aber noch nicht klar, ob in seinem Team überhaupt die besten russischen Skijägerinnen vereint sind. Auch deshalb testete er immer wieder neue Athletinnen. Das Reservoir sei riesig. Er war viel unterwegs, um sich selbst ein Bild zu machen und ein paar russische Worte mehr zu beherrschen, als seine Frauen auf Deutsch sagen können. Ansonsten fungiert Co-Trainer Pawel Rostowzew als Dolmetscher, zudem helfen englisch und Zeichensprache.

„Mit Olga Saizewa haben wir eine, die in Ruhpolding bestimmt mit um die Medaillen läuft. Mannschaftlich sind wir so stark, dass auch in den Staffeln einiges möglich ist“, sagt Pichler, den man in der Chiemgau-Arena wieder mit puterrotem Kopf und vollem Engagement seine Athletinnen anfeuern sehen wird.