Wintersport Interview mit Fritz Fischer zum Biathlon-Auftakt
„Simon Schempp ist mein Geheimfavorit“ Mit den ersten Staffel-Rennen beginnt an diesem Wochenende in Östersund der Weltcup-Winter der Biathleten. Für den ehemaligen Gesamtweltcup-Gewinner Fritz Fischer aus Kelheim gehören die deutschen Athleten zu den Sieganwärtern.
Östersund. Herr Fischer, im vergangenen Jahr feierten die Deutschen elf Weltcup-Siege. Steht uns in der neuen Saison erneut ein erfolgreicher Biathlon-Winter bevor?
Fritz Fischer: Ich glaube, dass unsere Athletinnen und Athleten gut trainiert haben. Mein Spruch ist immer: Wenn einer gewinnen will oder aufs Podest will, muss er einen deutschen Athleten schlagen. Und ich glaube, dass das auch in diesem Winter wieder so sein wird. Die ersten Testrennen in der vergangenen Woche waren aus deutscher Sicht sehr erfolgreich. Simon Schempp hat dreimal gewonnen — einen internen Wettkampf und zwei Sprints vor den Norwegern und den starken Franzosen. Das ist schon mal ein guter Auftakt. Laura Dahlmeier ist ja leider noch verletzt, aber Franziska Preuß war auch sehr stark bei den ersten Testrennen.
Welchem Athleten des deutschen Teams trauen Sie am meisten zu?
Fischer: Simon Schempp. Das ist mein Geheimfavorit auf den nächsten Gesamtweltcup-Sieg. Er ist sehr zielstrebig, er hat sich sehr stark stabilisiert. Das hat man im vergangenen Jahr schon gesehen, als er sechsmal unter den ersten Drei war. Ich glaube, dass er heuer im Training noch einmal eine Schippe draufgelegt hat. Wenn er gesund bleibt, können wir uns einiges von ihm erhoffen. Zusammen mit Martin Foucade, Johannes Thingnes Bø, Emil Hegle Svendsen und Jakov Fak gehört er für mich zu den Favoriten für diesen Titel.
Martin Foucade hat den Gesamtweltcup in den vergangenen vier Jahren gewonnen. Nun will er auch im Langlauf starten. Wird ihn das im Biathlon schwächen?
Fischer: Nein, das macht die Topathleten aus, die wollen sich einfach mal woanders testen. Sie wollen 15 Kilometer durchrennen, denn die Teilstrecken im Biathlon sind ja oft nur zwischen 2,5 und vier Kilometern. Ich finde es gut, wenn man die Zeit hat. Er muss sich im Biathlon nichts mehr beweisen. Er ist ein hervorragender Biathlet, ich glaube nicht, dass ihn das schwächt, im Gegenteil. Das macht ihn wahrscheinlich noch stärker.
Gerade das junge deutsche Frauen-Team hat im vergangenen Winter mit guten Resultaten überrascht. Trainer Gerald Hönig hat jetzt angemerkt, dass der „Welpenschutz“ weg sei. Ist der Druck jetzt zu groß?
Fischer: Wenn man erfolgreich sein will, muss man den Druck aushalten. Ich habe die Franzi Preuß mitentdeckt vor vier Jahren, über einen kleinen Zufall. Sie hat sehr viel Talent von ihrem Elternhaus her, vom Schießen, vom Laufen, vom Willen. Wenn es auch richtig wehtut, kann sie sich noch steigern. Zusammen mit Laura Dahlmeier ist das ein sehr erfolgreiches Team. Auch Miriam Gössner hat sich jetzt wieder sehr laufstark zurückgemeldet. Franziska Hildebrand ist immer für eine Top-Ten-Platzierung gut. Vor allem im Team gibt es keine Nation, die vier so starke Läu-ferinnen hat wie Deutschland. Das hat man letztes Jahr gesehen, durch den WM-Titel. Die Mädels wissen, dass sie sehr beobachtet werden. Aber das muss noch mehr Ansporn sein, um erfolgreich zu sein.
Miriam Gössner kehrt nach ihrem Mountainbike-Unfall im Mai 2013, bei dem sie sich mehrere Rückenwirbel brach, zurück. Was trauen Sie ihr zu?
Fischer: Sie schießt zwar ab und zu noch oft vorbei, aber sie hat auch schon oft genug gezeigt, dass sie schießen kann. Wichtig ist einfach ihr Selbstvertrauen. Wichtig ist auch, dass sie mit ihrem Freund Felix Neureuther ab und zu redet, der Felix ist auch ein Wettkampftyp. Ich kann nur sagen: Miri, glaub an dich, du kannst es aus eigener Kraft schaffen. Aber das ist da oben kein Zuckerschlecken. Das ist tägliche, knallharte Arbeit, vor allem, was den Schießstand betrifft. Man muss sich auf diesen Stress freuen. Der Athlet, der sich auf diese schwierige Wettkämpfe nicht freut, der wird auch nie Chancen haben.
Wird Miriam Gössner wieder so erfolgreich wie sie einst war?
Fischer: Wenn sie an sich selbst richtig glaubt. Ich wünsche es ihr, vor allem wünsche ich es dem deutschen Biathlonsport. So würde der Druck nicht nur auf Preuß und Dahlmeier, sondern auf ein paar mehr Schultern verteilt. Miri muss klar sein, dass sie der deutschen Mannschaft helfen kann.
Gesamtweltcup-Siegerin Darja Domratschawa wird wegen Pfeiffer’schem Drüsenfiebers die komplette Saison fehlen. Wer wird in ihre Fußstapfen treten?
Fischer: Dorothea Wierer, Ga-briela Soukalová und Marie Dorin-Habert — die drei gehören zum Favoritenkreis. Viel-leicht schafft sogar überraschend eine von uns, vorne ein bisschen mitzumischen. Im Damenbereich gibt es international momentan nicht so viele Gute, wie es früher schon mal war.
Biathlon ist seit vielen Jahren die liebste Wintersportdisziplin der Deutschen. Warum ist das so?
Fischer: Biathlon ist Fußball im Winter, weil wir ein Stadion haben, in dem die Leute sitzen und stehen können. Die Sportler kommen rein, die Scheibe ist schwarz oder weiß, das ist wie ein Tor, links oder rechts. Die Leute können es nachvollziehen. Und vor allem waren in den letzten Jahren unsere Mädels und Burschen immer wieder für Deutschland erfolgreich. Ich sag’ immer ein bisschen philosophisch: Biathlon ist die Schule des Lebens. Du hast Stress und musst trotzdem gezielt deinen Job ausüben. So wie bei uns: Wenn du im Schnitt mit Puls 170 an den Schießstand kommst, musst du die Scheibe gezielt treffen. Das fasziniert einfach die Leute. Es ist richtig schön, wenn man erfolgreich ist. Aber das ist ein sehr harter Beruf, einer der schwierigsten Berufe im Spitzensport. Das, glaube ich, schätzen die Leute.