Friedrich: Der Perfektionist im Eiskanal
Calgary (dpa) - Vor seinem kometenhaften Aufstieg zum jüngsten Zweierbob-Weltmeister wirkte Kraftprotz Francesco Friedrich fast ängstlich im Gespräch. Seine Unsicherheit im öffentlichen Auftreten war mit Skepsis gepaart.
Mittlerweile macht der 23-Jährige klare Ansagen und geht lautstark voran. Sein Standing in der Mannschaft ist unumstritten. Friedrich ist nicht nur Pilot, sondern als Chef des Bobteams aus Oberbärenburg auch Kleinunternehmer, Organisator und Techniker.
„Er hat so einen Wissensdurst, übernimmt unwahrscheinlich viel Verantwortung und geht mit großem Tatendrang voran“, lobte Heimtrainer Gerd Leopold sein bisher „größtes Talent im Eiskanal“. Beim Weltcup-Start am Freitagabend in Calgary gilt Friedrich im Zweierbob als Mitfavorit.
Nach dem sensationellen WM-Coup im Januar in St. Moritz taufte der Coach ihn kurzerhand in „Friedrich der Große“ um. „Ich habe diese Bilder noch genau im Kopf, es war ein echt toller und schöner Moment in meinem Leben. Doch jetzt gehen wir Schritt für Schritt weiter.“ Er weiß aus eigener Erfahrung, ein Sturz, ein Fehltritt - das war's mit Olympia. Im Herbst hatte er Glück bei einem Muskelfaserriss im Oberschenkel, der innerhalb von drei Wochen gut verheilte.
Immerhin müssen sich die muskelbepackten Modellathleten bei Minustemperaturen in hauchdünnen Anzügen in Topform pushen. Beim Start explodiert Friedrich förmlich am Bügel seines Bobs, ehe er das glatte Eis mit einem gekonnten Sprung über die Bordwand verlässt. In Sekundenschnelle hat er im spärlich gepolsterten Pilotensitz die Lenkseile in der Hand - und ist bei gut 140 Stundenkilometern in seiner eigenen Welt. Privat, so verrät Freundin Magdalena, ist er „ein ganz ruhiger Typ“. Diese Gelassenheit zeigt er auch im Eiskanal. „Er hat beim Bobfahren den gleichen Puls wie im Schlaf“, betonte Verbands-Vizepräsident Rainer M. Jacobus.
Nur beim Anschieben seines gut 200 Kilogramm schweren Bobs ist Friedrich besessen wie kaum ein anderer Athlet. Da beschleunigt er wie ein wildes Rennpferd. Bei den Titelkämpfen in St. Moritz gewann der 92-Kilo-Mann mit seinem Anschieber Jannis Bäcker dank der 4,98 Sekunden auf den ersten 50 Metern sogar den begehrten Starterpreis. Dennoch optimierte er im Sommer noch einmal sein komplexes Training. „Ich habe alle Werte, egal ob Schnelligkeit oder Kraft noch einmal verbessert“, meinte Friedrich, der die Kniebeuge dreimal mit 200 Kilogramm schafft. Über 30 Meter läuft der Sachse nach eigenen Angaben 3,15 Sekunden - der langbeinige Jamaikaner Usain Bolt benötigte bei seinem Weltrekordlauf 2009 in Berlin über diese Distanz immerhin 3,78 Sekunden.
In der Olympia-Saison geht es um Nuancen. Da steht neben den athletischen Voraussetzungen vor allem der technische Part im Vordergrund. Daher hat er sich intensiver mit dem Gerät beschäftigt: „Da haben wir den einen oder anderen Vorteil oder die eine oder andere Trumpfkarte in der Hand, die wir bis Olympia noch ausspielen können.“