„Diplomatin im Trainingsdress“: Film über Katarina Witt
New York (dpa) - Sie war das Wunderkind auf Eis: Mit ihren Pirouetten und dreifachen Axeln eroberte Katarina Witt aus dem ostdeutschen Staaken bei Berlin in den 1980er-Jahren die Welt.
Sie gewann die olympischen Goldmedaillen von Sarajewo (1984) und Calgary (1988), vier Weltmeister- und sechs Europameistertitel für die DDR. Das Regime revanchierte sich mit Luxusartikeln, von denen andere DDR-Bürger nur träumen konnten, beschattete Witt aber auch auf Schritt und Tritt. In einer Dokumentation des US-Sportsenders ESPN sagt Witt: „Vielleicht ist es das Geheimnis meines Lebens, dass ich die Dinge so nehme, wie sie sind und das Beste aus ihnen mache“.
Der Titel des 50-Minuten-Films, „The Diplomat“, bezieht sich auf ein früheres Zitat der gefeierten Eiskunstläuferin. „Ich komme mir wie eine Diplomatin im Trainingsdress vor“, hatte sie 1986 gesagt. In der Dokumentation, die jetzt im Rahmen der Tribeca-Filmfestspiele in New York uraufgeführt wurde, heißt es weiter: „Sport war das, worin die DDR gut war.“ Der ostdeutsche Staat förderte die junge Katarina kostenlos durch ihre Trainerin Jutta Müller. „Meine Eltern hätten nicht das Geld gehabt, mich ausbilden zu lassen“.
Dafür wurde die bildschöne und charismatische Athletin zum Aushängeschild des DDR-Regimes. Vom Europameisterschaftstitel 1983 an war sie bei fast allen internationalen Wettkämpfen die Erste. Daheim gehörte sie der Sozialistischen Einheitspartei SED an und traf sich mit den Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker und Egon Krenz.
„Es war nicht richtig, Menschen einzusperren“, kritisiert Witt die DDR-Führung im Rückblick. Gleichzeitig gesteht sie: „Ich werde ihnen immer dankbar dafür sein, dass sie mir die Erfüllung meines Traums ermöglicht haben“.
Erst nach dem Fall der Mauer erfuhr Witt, dass sie schon als Siebenjährige vom Ministerium für Staatssicherheit beschattet wurde. Ihre Stasi-Akte umfasste am Ende 3500 Seiten. Unter anderen wurde sie von ihrem Kollegen Ingo Steuer bespitzelt, wie dieser im Film bekennt. Doch niemand, der Informationen über sie weitergab, habe ihr persönlich geschadet, sagt Witt. „Man muss vergessen und Kapitel schließen.“
Auf ihre Karriere nach dem Ende des Kalten Krieges geht der ESPN-Film nur kurz ein. Witt habe den Eiskunstlauf 20 Jahre professionell betrieben, darunter bei großen Shows in Nordamerika, heißt es. Kein Wort von ihren Aktfotos im „Playboy“, den Filmrollen, ihrem Einsatz als Moderatorin der Spielshow „The Biggest Loser“ oder ihrem Engagement für eine Münchner Olympia-Bewerbung.
Dass Witt sich auch mit jetzt 47 Jahren noch sehen lassen kann, bewies sie bei der Premiere von „The Diplomat“, zu der sie in einem schicken schwarzen Lederensemble erschien.
Wann die ESPN-Dokumentation der beiden Filmemacherinnen Jennifer Arnold und Senain Kheshgi nach Deutschland kommt, war bei ihrem Auftakt in New York noch nicht bekannt. Das Tribeca-Filmfestival war vor elf Jahren als Reaktion auf den Terror vom 11. September 2001 gegründet worden, unter anderem von dem Schauspieler Robert de Niro. Es sollte den besonders schwer getroffenen Stadtteil Tribeca wieder mit Leben und Kultur füllen. Neben „The Diplomat“ standen in diesem Jahr weitere 52 Weltpremieren aus 37 Ländern auf dem Programm.