Keine Nachfolgerinnen der deutschen Eis-Ladys in Sicht
Heerenveen (dpa) - Eisschnelllauf-Talente, bitte melden: Eine der lange Zeit medaillenträchtigsten deutschen Sportarten sucht dringend Nachfolgerinnen für seine Stars.
Außer der 23-jährigen Stephanie Beckert ist derzeit niemand in Sicht, um nach Olympia 2014 konstant in der absoluten Weltklasse zu laufen. Der Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) sieht sich mit seinen Nachwuchssorgen indes nicht allein. „Wir reihen uns ein in ein Problemfeld der meisten Verbände“, betonte DESG-Chef Gerd Heinze vor dem Start der Einzelstrecken-WM am Donnerstag in Heerenveen. „Probleme haben selbst solche Sportarten wie Biathlon.“ Heinze verwies darauf, dass nach dem Karriereende von Magdalena Neuner unter den Skilangläufern nach Ersatz gesucht wird.
Lange konnte der Eisschnelllauf noch aus dem Reservoir des einstigen DDR-Sports schöpfen. Dazu zählen Seriensiegerinnen wie Gunda Niemann-Stirnemann, die mittlerweile 40-jährige Claudia Pechstein, die ans Karriereende denkende Jenny Wolf und Sprinterin Monique Garbrecht. Die Bayerin Anni Friesinger bescherte der Sportart neben goldenem Glanz auch Glamour und eine schlagzeilenträchtige Rivalität mit Pechstein. Derzeit sorgen vor allem Pechsteins lauter Kampf gegen ihre Sperre und das gelungene Comeback für die größte Aufmerksamkeit.
Zwar kann Heinze auf Verletzungssorgen in diesem Winter verweisen oder auf vordere Platzierungen der deutschen Herren an guten Tagen - doch es fehlen neue Hochkaräter, im besten Fall noch mit medienwirksamer Ausstrahlung. Stephanie Beckert traut wenigstens dem einen oder anderen zu, mit dem nötigen Ehrgeiz nachzurücken. aber auch die immer wieder von Rückenproblemen gehandicapte Olympiasiegerin räumte ein: „Es ist schon so, dass wenig Leute kommen. Es ist nicht so populär wie Biathlon.“
Der deutsche Cheftrainer Markus Eicher sprach indes von einem Problem aller Sportarten. „Wir haben extrem viel versucht, im Schulsport zu machen“, sagte Eicher. Am höchsten sei die Quote der Aussteiger im Alter zwischen 15 und 17 Jahren, „wo es mit dem Hochleistungssport richtig losgeht“. Daneben fordern Schule oder Ausbildung Kraft und Zeit - zu viel für etliche Talente. Außerdem ist Durchhaltevermögen gefragt. „Man braucht sechs bis acht Jahre, bis man oben ist. Das ist extrem lang“, erläuterte Eicher.
Verbandschef Heinze beklagte ferner, in der bundesdeutschen Sportförderung gehe es nicht mehr explizit um die Jugend. „Da fehlt es an Professionalität in der Nachwuchsarbeit“, bemängelte Heinze. Mit befristeten Arbeitsverträgen ohne dauerhafte Jobsicherheit sei es außerdem schwer, qualifizierte Trainer zu finden.
Bei allen Schwierigkeiten ist Heinze nicht bange um seine Sportart. „Wir können immer noch auf Trainer und Sportler zurückgreifen, die hochmotiviert arbeiten können“, unterstrich der DESG-Präsident - und gab zu: Wenn sich an den Gegebenheiten nichts ändere, „wird man immer nur einzelne Kirschen finden“.
Das sind keine guten Aussichten für die Zeit nach den Winterspielen von Sotschi. Pechstein schloss allerdings nicht aus, auch nach 2014 weiterzumachen: „Dann bin ich 42. Und ich habe nicht gesagt, dass ich danach zurücktreten werde“, sagte sie dem „Neuen Deutschland“.