Pechstein-Prozess: Brisantes Anwalts-Duell in München
Berlin (dpa) - Nach der Schadenersatzklage von Claudia Pechstein kommt es vor dem Münchner Landgericht zum erneuten Duell zweier Staranwälte.
Schon vor nahezu 20 Jahren hatten sich Thomas Summerer und Dirk-Reiner Martens im Prozess von Sprinterin Katrin Krabbe gegen den Leichtathletik-Weltverband IAAF gegenüberstanden. Nachdem Krabbe-Anwalt Summerer seit Monaten auch Pechstein im Kampf um die Wiederherstellung ihres ramponierten Rufes vertritt, übernahm nun sein damaliger Gegenspieler Martens den juristischen Beistand für den Eislauf-Weltverband ISU.
„Wir haben mit Verve gegeneinander gekämpft, sind aber immer kollegial miteinander umgegangen“, erinnerte sich Martens an das Duell mit dem damaligen Konkurrenten Summerer. Dieser hatte für die Neubrandenburger Sprint-Weltmeisterin Krabbe nach siebenjähriger Verhandlung im Jahr 2001 einen Schadenersatz von 1,5 Millionen Mark von der IAAF erstritten. Im Fall Krabbe ging es um den Missbrauch des Kälbermastmittels Clenbuterol, das damals noch nicht auf der Dopingliste stand. Krabbe wurde vom DLV für ein Jahr gesperrt, der Weltverband hängte noch zwei Jahre dran, wogegen sich die Athletin erfolgreich wehrte.
Pechstein war wegen erhöhter Retikulozytenwerte 2009 für zwei Jahre von der ISU gesperrt worden und mit ihren Einsprüchen vor allen sportrechtlichen Instanzen gescheitert. Es werde nun aber nicht mehr infrage gestellt, dass eine ererbte Blutanomalie die Ursache für die auffälligen Werte gewesen sei, unterstrich Summerer. Er kommt daher zu dem Schluss, dass beide Fälle große Ähnlichkeit miteinander hätten. 150 Seiten umfasst seine Klageschrift, die inzwischen der ISU zuging. Darin wird Schadenersatz in siebenstelliger Höhe gefordert.
Diese Millionen-Klage beeindruckt Martens aber in keiner Weise. „Ich bin seit 44 Jahren Anwalt, da erschrickt man nicht mehr“, sagte der Münchner Rechtsanwalt der Nachrichtenagentur dpa. Da Martens auch als Richter für den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) arbeitet, erhält das Duell zusätzliche Brisanz.
Denn Summerer hatte zuvor wegen der zwangsweisen Unterwerfung und des zwangsweisen Ausschlusses staatlicher Gerichte sogar den CAS in Zweifel gezogen. Er warf dem höchsten Sportgericht vor, sich bei der Prüfung des Pechstein-Falles nicht die Mühe gemacht zu haben, die sich ein staatliches Gericht gemacht hätte.
Völlig auseinandergehen die Meinungen beider Anwälte über den Termin der Verhandlungen in München. „Das kann man derzeit noch nicht seriös prognostizieren“, sagte Martens. Anders sieht das der Anwalt der Gegenpartei. „Wir sind zuversichtlich, dass der Prozess im Herbst abgeschlossen sein wird, da der gesamte Sachverhalt weitgehend unstreitig ist. Selbst der maßgebliche medizinische Experte der ISU sieht keinen Dopingfall mehr“, erklärte Summerer. Er hatte reklamiert, dass Pechstein nur nach indirektem Beweis suspendiert wurde - „ohne das gesicherte Wissen, dass es Doping ist.“ Die Sperre sei daher überstürzt, leichtfertig und grob fahrlässig erfolgt.