Küng neuer Abfahrts-Weltmeister - Favoriten weit zurück
Beaver Creek (dpa) - Mit der Champagnerflasche in der Hand spritzte Abfahrts-Weltmeister Patrick Küng nach der Siegerehrung im Zielraum wild um sich. Betreuer und Fotografen mussten sich blitzschnell wegducken, um nichts abzubekommen.
An einem Tag voller Überraschungen sicherte sich der Skirennfahrer aus der Schweiz unerwartet den prestigeträchtigsten WM-Titel - und kostete das Gefühl des Sieges in vollen Zügen aus. „Es war ein Traum“, meinte der zweimalige Weltcupsieger, ehe er cool mit dicker Sonnenbrille im Gesicht die ersten Siegerfotos von sich schießen ließ.
Die großen Favoriten blieben dagegen in Beaver Creek alle hinter den eigenen Erwartungen. Olympiasieger Matthias Mayer und Super-G-Weltmeister Hannes Reichelt aus Österreich landeten in einem bis zum Schluss turbulenten Rennen nur auf den Rängen zwölf und dreizehn, der Norweger Kjetil Jansrud enttäuschte als Goldmedaillenanwärter Nummer eins auf Platz 15. „Es hat heute extrem viele Verlierer gegeben“, sagte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier, dessen bester Schützling, Andreas Sander, als 17. das angepeilte Top-15-Ergebnis knapp verfehlte.
Silber sicherte sich vor seinem Heimpublikum der US-Amerikaner Travis Ganong, der im Ziel 24 Hundertstelsekunden hinter Küng lag. Bronze ging an Küngs Teamkollegen Beat Feuz. Für die Eidgenossen war Küngs WM-Sieg in den USA der erste Abfahrtstitel seit Bruno Kernen vor 18 Jahren. „Ich glaub, ich träume“, postete der 31-Jährige auf Facebook, während das Rennen noch lief. „Die Abfahrt ist die Königsdisziplin. Wenn man in der Schweiz Ski fährt, dann hat man einen großen Druck“, kommentierte er später. „Da man weiß, wie skifanatisch die Schweizer sind: gönnen wir es ihnen“, sagte der geschlagene Reichelt. Weltcups gewonnen hatte Küng bisher einzig vor einem Jahr in Wengen die Abfahrt - und kurz zuvor passenderweise in Beaver Creek den Super-G.
Auch die amerikanischen Fans, die so zahlreich wie nie bei den Weltmeisterschaften an der Raubvogel-Piste im US-Skiresort Beaver Creek erschienen waren, durften zwei Tage nach dem Sturz von Frontman Bode Miller über einen unverhofften Medaillengewinn jubeln. „Das ist einfach grandios“, kommentierte Ganong voller Euphorie. „Unser Sport wird in Amerika immer größer. Und hier daheim vor der Familie eine Medaille zu holen, ist unglaublich.“
Als bester deutscher Skirennfahrer verfehlte Sander knapp eine Platzierung in den Top 15, die sich ursprünglich alle drei DSV-Athleten vorgenommen hatten. Nach zu vielen Fehlern lagen Josef Ferstl (22.) und Klaus Brandner (27.) im Ziel schließlich noch weiter zurück. „Das ist ungefähr der Bereich, in dem wir im Augenblick stehen“, sagte Alpindirektor Maier und forderte: „Es war nicht so schlecht, man muss so ein Thema auch normal betrachten können.“
Sander gab sich entspannt. „Leider war es unten raus schon ein bisschen weich, alles in allem bin ich aber ganz zufrieden“, sagte er, nachdem er im oberen Teil viel Zeit verloren hatte. Ferstl, Ende Dezember immerhin Siebter bei der Weltcup-Schussfahrt von Santa Caterina, haderte mit einem Missgeschick im Mittelteil: „Dieser kleine Fehler kostet viel Zeit. Ich kann mir nicht viel vorwerfen, aber das hat mich das Top-15-Ergebnis gekostet“, urteilte der 26-Jährige.
Titelverteidiger Aksel Lund Svindal, der sich vor dreieinhalb Monaten die Achillessehne gerissen hatte, fuhr angesichts der Umstände auf einen starken sechsten Platz. „Mit einer Medaille wäre ich glücklicher. Aber ich bin zufrieden“, urteilte der Norweger.