Neureuther: „Ich habe gebuckelt wie ein Vollirrer“
Zagreb (dpa) - Trotz einer Knieverletzung zeigte sich Felix Neureuther bei den ersten Slaloms der Saison fit. Vor dem Torlauf in Zagreb spricht der Skirennfahrer im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa den Aufwärtstrend und seine Vorsätze für 2012.
Das vergangene Jahr hat mit den Plätzen drei und vier für Sie sehr gut aufgehört. Wie lauten Ihre Vorsätze für 2012?
Felix Neureuther: „Ich will einfach meine Form beibehalten, die ich auch im alten Jahr hatte. Bis jetzt hat es zum Anfang der Saison gut funktioniert, so will ich weitermachen.“
Vor der Saison haben Sie mit grundlegenden Veränderungen wie dem Wechsel beim Material und im Trainerteam den zweiten Abschnitt Ihrer Karriere eingeläutet. Wie viel vom neuen Felix Neureuther haben wir trotz Ihrer Knieverletzung schon gesehen?
Neureuther: „Das Knie begleitet mich weiter, es ist noch nicht absolut optimal. Ich kann schon wieder mehr trainieren, aber für zwei Disziplinen reicht es noch nicht. Der neue Felix, den hat man schon ansatzweise gesehen, aber es ist auf alle Fälle noch Luft nach oben.“
Wie schwer war die Verletzung?
Neureuther: „Es war auf jeden Fall nicht ohne. Es war schon heftig, keiner hat genau gewusst, wie lange es dauert, weil ein Knorpelschaden eine langwierige Einschränkung bedeuten kann. Die Ärzte und die Physios haben es bis jetzt sensationell hingebracht. Ich hoffe natürlich, dass sich das Knie so regeneriert, dass ich in Zukunft dann ganz fit bin.“
Inwiefern hatten Sie Sorge vor einem langfristigen Ausfall oder sogar um Ihre Karriere?
Neureuther: „Ich bin erst 27, im besten Skifahreralter, von dem her hatte ich nicht wirklich Angst um meine Karriere. Im schlimmsten Falle hätte es halt einen Eingriff gegeben und dann wäre es nächstes Jahr wieder voll weitergegangen.“
War Ihnen die schnelle Rückkehr auf die Weltcup-Piste in Beaver Creek auch so wichtig, weil der Blick diese Saison schon Richtung Kleine Slalomkugel geht?
Neureuther: „Nein, aber die Rückkehr war mir schon extrem wichtig. Als die Diagnose kam, habe ich sofort gesagt: Ich muss unbedingt beim ersten Slalom am Start stehen. Ich fahre dort auch, wenn das Knie nicht ganz optimal ist, weil wir einfach nicht so viele Slaloms haben. Man braucht immer irgendwo ein Ziel auch wenn man verletzt ist, deshalb wollte ich das um jeden Preis.“
Mit Ihrem alten Material hatte man immer das Gefühl, dass Sie schnell ausfallen könnten. Was hat sich jetzt geändert?
Neureuther: „Für mich ist das ein komplett anderes Skifahren. Die alten Ski hatten sehr kurze Druckpunkte, es gab große Kräfte, die auf einen gewirkt haben. Nun verlagert sich das mehr auf den ganzen Schwung. Das erlaubt auch, dass man von der Linie etwas runder fährt und nicht so grade auf die Stange zu. Von dem her macht man einfach weniger Fehler. Es kommt mir aber selber so vor, dass ich noch nicht angekommen bin, sondern ich immer noch einen Tick schneller fahren kann. Das ist ein sehr, sehr schönes Gefühl, wenn man gute Resultate einfährt und weiß, dass da noch Luft nach oben ist.“
Sie haben bei vier Slaloms in Serie das Ziel erreicht und waren immer unter den Top Ten.
Neureuther: „Es ist natürlich auch das Resultat harter Arbeit. Ich bin extrem viele Umfänge gefahren, bis Oktober waren es dreimal so viel Läufe wie zuvor. Ich habe wirklich gebuckelt wie ein Vollirrer. Leider hat als Resultat der hohen Belastung das Knie etwas zu Zwicken angefangen. Aber das Training spiegelt sich in der Sicherheit während des Rennens wider.“
Wie lauten nun mit dieser gewonnenen Sicherheit die Ziele für den Slalom-Festmonat Januar, in dem fünf Torläufe anstehen?
Neureuther: „Ich denke einfach von Rennen zu Rennen, es gilt einen Schritt vor den anderen zu machen. Man sollte nicht denken, dass man das nächste Rennen gleich gewinnen muss. Auch wenn es mal nicht so hundertprozentig läuft, bin ich überzeugt, dass ich auf dem richtigen Weg bin in meiner Entwicklung.“
Was fehlt dabei noch?
Neureuther: „Ich muss noch an technischen Sachen arbeiten, das dauert einfach seine Zeit. Technische Fehler haben sich über Jahre eingeschlichen, die gilt es jetzt auszumerzen. Deshalb ist der Plan eher auf Schladming und die Weltmeisterschaftssaison 2013 ausgerichtet.“
Die Verantwortlichen haben vor der Saison gesagt, dass es die Sonderrolle Felix Neureuther nicht mehr gibt. Inwiefern tut das neue Teamgefühl Ihnen und auch den anderen Fahrern gut?
Neureuther: „Ich will das gar nicht als Sonderrolle bezeichnen. Bis jetzt war ja niemand da, mit dem ich hätte trainieren können. Jetzt ist es endlich wieder soweit, dass man uns wieder als Mannschaft bezeichnen kann. Ich war immer jemand, der sehr, sehr gerne eine Mannschaft um sich gehabt hätte. Als der Fritz (Dopfer) letztes Jahr ein paar Mal unter die ersten 30 gefahren ist, habe ich sofort gesagt: Ja, dann machen wir es wieder gemeinsam. Es bringt ja mir nichts, wenn ich mit Jungs trainiere, die pro Lauf eine Sekunde hinter mir sind, sondern ich muss mich messen können. Das ist jetzt der Fall. Das ist sehr, sehr schön, eine super Entwicklung und für mich ein absoluter Glücksfall. Wir ergänzen uns sehr gut, wir pushen uns gegenseitig und dann macht das Ganze sehr viel mehr Spaß, als wenn man immer nur alleine auf dem Radl hockt.“
Wie wichtig ist es neben der Strecke?
Neureuther: „Es ist schon krass, wenn man in Kitzbühel oder Sölden alleine am Start steht und es sind weiß was ich wie viele Trainer, Betreuer und Journalisten da. Und ich sitze da alleine, da ist der Druck natürlich schon enorm und so können wir uns gegenseitig ein bisschen Druck wegnehmen. Das macht das Ganze sehr viel einfacher.“
In Zagreb hat Marlies Schild ihren fünften Slalomsieg in Serie geholt. Wäre so eine Dominanz auch bei den Herren denkbar?
Neureuther: „Das war mal vor ein paar Jahren so, aber momentan ist die Dichte bei uns so enorm groß und das Niveau so extrem hoch, da bedeutet der kleinste Fehler mehrere Plätze. Vom Skifahrerischen kann der 40. unter die ersten Fünf der Welt fahren. Bei uns entscheidet letztendlich fast nur der Kopf. Wer an dem Tag den besten Kopf hat, der fährt nach vorne.“