Skiwelt sucht Schutz - Knieschienen und Airbags?

Chamonix (dpa) - Nach der Sturzserie im alpinen Ski-Weltcup ist die Suche nach einem besseren Schutz der Rennfahrer akut wie selten zuvor. Eine Woche vor der WM sieht der Österreichische Skiverband „dringenden Handlungsbedarf“.

Die Erforschung eines Knieprotektors läuft auf Hochtouren und es wird auch über Airbags nachgedacht. „Viele Athleten reden über Sicherheit. Alle haben Respekt, vor dem was kommt“, sagte der norwegische Olympiasieger Aksel Lund Svindal, selbst einmal schwer in Beaver Creek gestürzt. „Wir dürfen aber nicht zu viel Drama machen.“

Doch dramatische Bilder produzieren die Abfahrer derzeit mehr als genug. Seit Dezember blieben fünf Athleten bewusstlos auf der Piste liegen, der Österreicher Hans Grugger erwacht erst langsam aus seinem künstlichen Tiefschlaf. Am vergangenen Wochenende verletzten sich gleich vier Speedspezialisten schwer, insgesamt verpassen mehr als zehn von ihnen die Titelkämpfe.

Ideen, um den Unfällen die Wucht zu nehmen, gibt es zahlreiche. Schnelle Ergebnisse sind jedoch zumindest vom neuesten Projekt des Internationalen Skiverbands FIS kaum zu erwarten. Gemeinsam mit einem italienischen Unternehmen soll bis 2013 erforscht werden, wie ein für den Motorradsport entwickelter Rennanzug mit integriertem Airbag auch Skirennfahrer schützen kann. „Wir sammeln seit letztem Jahr Daten, um herauszufinden, welche Kräfte wirken“, sagt FIS-Renndirektor Günter Hujara.

Sensoren müssten den genauen Zeitpunkt eines Sturzes erfassen und die Polsterung automatisch aktivieren. „Den Airbag im Auto löse ich auch nicht per Knopfdruck aus, wenn ich vor die Wand fahre“, erklärt der deutsche Herren-Cheftrainer Karlheinz Waibel, der bei der Heim-WM in Garmisch-Partenkirchen auf seine einzige Speedhoffnung, Stephan Keppler, verzichten muss. Der Zweite des Super-G von Gröden stürzte in Wengen und verletzte sich an Knie und Knöchel.

Für weitere technische Entwicklungen wie ein sich bei Gefahr absprengender Ski ist entscheidend, wann ein Fahrer die Situation nicht mehr selbst steuern kann. „Wir brauchen einen Algorithmus“, formuliert Waibel das Streben nach der ultimativen Formel. Der ehemalige Wissenschaftskoordinator des Deutschen Skiverbandes gehört der in dieser Saison gegründeten FIS-Arbeitsgruppe Sicherheit an.

Gemeinsam mit weiteren Experten wie dem ehemaligen Rennfahrer Marco Büchel (Liechtenstein) oder dem früheren österreichischen Herren-Coach Toni Giger sollen beim nächsten Treffen erneut „Brennpunkte“ herausgearbeitet werden. Zum Beispiel: „Wie können Rennanzüge besser schützen?“

Als „hoch“ bewertet eine Studie des Sporttrauma-Forschungszentrums Oslo das Verletzungsrisiko im alpinen Ski-Weltcup. 2006/07 und 2007/08 verletzte sich demnach mehr als jeder dritte Athlet (36,7 Prozent), jeder zehnte fiel mehr als 28 Tage aus (11,3). Zuletzt waren Kopferverletzungen auffällig, aber insgesamt machen sie weniger als zehn Prozent aus.

Bei mehr als der Hälfte der insgesamt 189 dokumentierten Verletzungen waren die Beine betroffen, zu 36 Prozent das Knie. „Das ist die gefährdetste Struktur“, sagt Waibel. Aus diesem Grund probierte der DSV zuletzt eine spezielle Knieorthese aus. Der Test ist nach Waibels Ansicht positiv verlaufen, doch die Athleten meinten, eine Leistungsminderung zu verspüren. „Solange der Leidensdruck nicht groß genug ist, wird gesagt: 'Lassen wir es weg'“, berichtet der Experte. Diesen Winter ist kein deutscher Rennfahrer mit der Schiene unterwegs.

Das Bundesinstitut für Sportwissenschaft will nun bald gemeinsam mit dem DSV ein Forschungsprojekt zur Entwicklung eines speziellen Protektors starten, der Bänder und Knochen im Knie schützt. Doch bei allen Anstrengungen, darauf weist FIS-Renndirektor Hujara hin, wird sich die Gefahr im Skisport niemals ganz verbannen lassen: „Wir erhöhen Schutzmaßnahmen, aber irgendwo sind Grenzen gesetzt.“