Vater und TV-Experte: Millers Winter-Sabbatical
Beaver Creek (dpa) - Bode Miller kann einfach nicht unspektakulär und langsam. Also jagte der Ski-Star die Abfahrtsstrecke von Beaver Creek hinunter, kam kurz ins Straucheln, verlor fast einen Ski, blieb aber auf den Beinen und erreichte das Ziel.
Typisch Miller eben. Und doch war die Fahrt des 38-Jährigen besonders und tauchte nicht in den offiziellen Trainingstabellen auf. Der Oldie ist nämlich in diesem Winter als Privatier unterwegs, die Weltcup-Saison lässt er aus, auf die WM-Strecke wurde er als Vorläufer samt Skistock-Kamera geschickt. Am Wochenende ist er für NBC der Experte im US-Fernsehen.
Hat Miller also seine glanzvolle Karriere beendet? Eher nicht, aber offenbar weiß er es selbst noch nicht so genau. Offiziell legt der amerikanische Rekord-Olympionike im alpinen Ski-Zirkus ein Sabbatical ein. „Es ist schwer zu sagen, wie es läuft“, meinte er. Ein Comeback im nächsten Winter für ausgesuchte Rennen könne er sich vorstellen, noch einmal eine komplette Saison will er aber nicht mehr fahren.
Miller hat viel um die Ohren: Im Mai kam sein dritter Sohn Nash Skan auf die Welt. „Ich habe viereinhalb Monate nicht geschlafen“, sagte er. „Das Baby und der ganze Familien-Kram haben gerade absolute Priorität. Es ist schwierig, all die anderen Dinge da noch hinzubekommen.“
Damit meint der Olympiasieger von 2010 etwa seinen Pferdestall, in dem er seit Sommer 15 Vollblüter für Rennen trainieren lässt. „Jedes einzelne dieser Pferde ist wie mein Kind“, berichtete Miller. Zudem ist er Teilhaber an einer Luxus-Ausrüsterfirma (Bomber Ski), die in Italien in Handarbeit Skier herstellt. In Beaver Creek stürzte er sich in dieser Woche mit Bomber-Skiern den Berg hinunter.
Auf weitere Miller-Spektakel werden Fans in diesem Winter verzichten müssen. Längst ist der in einem Haus im Wald irgendwo im Bundesstaat New Hampshire aufgewachsene Ski-Freigeist Kult: Bei der legendären Abfahrt in Kitzbühel - die er zu seinem großen Bedauern (bislang) nie gewinnen konnte - trieb es ihn 2008 von der Ideallinie weg, er fuhr ein paar Meter über den Sicherheitszaun, kam aber sensationell ins Ziel und wurde Zweiter. Bei einer Kombi-Abfahrt in Bormio sprang Millers linke Bindung nach 15 Sekunden auf. Statt zu stürzen raste der US-Athlet 2005 noch fast zwei Minuten lang auf einem Ski ins Tal.
Neben solchen Szenen sind es die 33 Weltcupsiege, vier WM-Titel und der Kombinations-Olympiasieg 2010 in Whistler, die Miller zum Star der Szene machten. Der erfolgreichste US-Rennfahrer war aber immer mehr als nur ein Siegertyp, er war ein Ski-Gesamtkunstwerk. Mit schläfrigem Blick im Starthaus, auf der Piste in extremen Fahrlagen, im Ziel wieder cool trotz Bestzeit und kreischender Fans. Und am Abend ging es statt ins Teamhotel in das eigene Wohnmobil, mit dem Miller den Winter über von Rennen zu Rennen durch Europa tingelte.
Solche Extravaganzen fehlen in dieser Saison - aber immerhin stattet der Superstar Beaver Creek einen Besuch ab. Dort hatte Miller im Februar bei WM ein Fabel-Comeback angepeilt, stürzte dann aber im Super-G und schnitt sich mit dem Ski eine Sehne in der Wade durch.
Bei der Rückkehr auf die Strecke „Birds of Prey“ als Vorläufer habe ihn die Erinnerung an den Unfall nicht umgetrieben, sagte er. Es wäre auch verwunderlich, wenn diesen Typen überhaupt etwas aus der Ruhe bringt. Ob er aufgeregt sei vor dem ersten Einsatz als TV-Experte, wurde er noch gefragt, und ob er sich künftig öfter ans Mikrofon setzen wolle. „Ich fühle mich ganz wohl mit meinem Ski-Fachwissen“, antwortete Miller. „Wenn es Spaß macht, komme ich sicher noch mal. Wenn es wie Arbeit ist, dann erwartet nicht, mich wiederzusehen.“