Fragezeichen bei Langläufern: Sotschi im Blick
Sjusjøen (dpa) - Langlauf-Bundestrainer Jochen Behle ist nicht zu beneiden. Wenn am Samstag im norwegischen Sjusjøen, 20 Kilometer von Lillehammer entfernt, die Weltcup-Saison startet, kann auch der Coach eher wenig über die wahre Leistungsfähigkeit seines Teams sagen.
Der Schneemangel ließ traditionelle Vergleichswettkämpfe nicht zu. Und dennoch sollen seine Asse möglichst schnell der im vergangenen Winter schier übermächtigen Konkurrenz aus Skandinavien zeigen, dass auch die deutschen Langläufer im Hinblick auf Olympia 2014 in Sotschi ernstzunehmende Konkurrenz bleiben.
„Das ist ganz klar unser Ziel. Deshalb müssen wir diese Saison nutzen, um uns zu positionieren. Es gilt, vor allem die jungen Leute weiter heranzuführen“, erklärte Behle. „Und der Mittelbau muss zeigen, dass er nicht nur Ergänzung ist. Für Leute wie Franz Göring, Tom Reichelt oder Philipp Marschall wird es eine entscheidende Saison. Hier müssen Leistungen kommen. Und darunter verstehe ich Weltcup-Punkte“, sprach Behle klare Worte.
Nach der „Seuchensaison“ 2010/2011, in der das DSV-Aufgebot immer wieder durch Krankheiten und Verletzungen dezimiert wurde und die WM in Oslo nur Dank der Staffel-Bronzemedaille der Männer nicht gänzlich abgeschrieben werden musste, hat man im deutschen Lager einiges verändert. Mit dem Ruhpoldinger Bernd Raupach kehrte ein bewährter Trainer aus Österreich kommend ins Team zurück.
Die mittlerweile über 30-jährigen Tobias Angerer (Vachendorf), Axel Teichmann (Bad Lobenstein) und Jens Filbrich (Frankenhain) verabschiedeten sich aus der Trainingsgruppe des Oberhofers Cuno Schreyl und gehen nun eigene Wege. „Bei ihnen bin ich sehr zuversichtlich. Ein ordentlicher Wettkampfeinstieg wäre wünschenswert, damit sie gleich sehen, dass sich ihre Arbeit und ihr Fleiß gelohnt haben“, bemerkte Behle.
Um Epidemien wie im vergangenen Winter zu vermeiden, werden angeschlagene Athleten nunmehr sofort aussortiert. Als ersten erwischte es Filbrich. Der 30-Jährige wird am Samstag wegen einer leichten Erkältung nicht über 15 Kilometer Freistil in die Loipe gehen. „Wir hatten bei den Lehrgängen jetzt immer schon Ärzte dabei. Aber es ist auch jeder Sportler selbst verantwortlich. Falscher Ehrgeiz schadet nicht nur ihm, sondern dem Team“, sagte Behle.
Der Coach schaut zunächst nur in Richtung Tour de Ski über den Jahreswechsel. „Das ist der Saisonhöhepunkt. Dann wird man sehen, wer wo steht. Die weiteren Einsatzpläne hängen auch davon ab. Fakt ist, dass wir nicht jeden Sportler jeden Wettkampf laufen lassen werden. Auch da schauen wir schon in Richtung WM 2013 und Olympia 2014“, erklärte Behle.
Zunächst gar nicht laufen wird Evi Sachenbacher-Stehle. Die zweimalige Olympiasiegerin aus Reit im Winkl darf sich nach den vielen Jahren Höchstleistungen und den gesundheitlichen Problemen im WM-Winter zunächst regenerieren. „Sie ist wieder fit, aber wir lassen alles auf uns zukommen. Sie wird die Trainingstage mit der Mannschaft absolvieren und vielleicht im Januar ins Wettkampfgeschehen eingreifen“, schätzte der Bundestrainer ein.
Da aber im Frauen-Bereich starker Nachwuchs eher spärlich gesät ist, wird Sachenbacher-Stehle noch eine Weile gebraucht. Bis zu ihrem Wiedereinstieg ist die Oberstdorferin Nicole Fessel die Hoffnungsträgerin. „Niki ist sehr gut drauf. Ich hoffe, sie kann an den Saisonauftakt vom vorigen Jahr anknüpfen, wo sie ständig Top-Ten-Ergebnisse erreichte“, betonte Behle. Ihre Clubkollegin Katrin Zeller soll bei der Tour de Ski für eine gute Platzierung sorgen, die anderen Athletinnen müssen sich für Staffel- und Team-Konkurrenzen empfehlen.
Was von der internationalen Gegnerschaft zu erwarten ist, darüber rätselt selbst Behle. „Kann Norwegen neben Petter Northug neue Leute heranziehen? Was werden die jungen Schweden machen? Wozu sind die Russen mit ihren immensen finanziellen Möglichkeiten mit Blickrichtung Olympia in der Lage? Und was bringen die Einzelkönner wie Dario Cologna aus der Schweiz oder Lukas Bauer aus Tschechien? All das ist nicht abzusehen“, sagte Behle. Nur eines ist ihm klar: „Bei den Frauen gibt es wieder den Dreikampf zwischen Marit Björgen, Justyna Kowalczyk und Therese Johaug. Maximal die Schwedinnen sollten in der Lage sein, dort ernsthaft mitzumischen.“