Wintersport Siegt Deutschland die Nordische Kombination kaputt?
Lahti. Es war eine Mischung aus Anerkennung, Neid und Neugier im Blick von Tim Hug abzulesen. Der 29-Jährige ist der Letzte seiner Art in der Schweiz, der einzige nordische Kombinierer, den die Wintersportnation bei der WM in Lahti an den Start schicken kann.
Er verließ am Freitag gerade als 15. des Einzels von der Normalschanze den Zielraum, als er an den drei lustigen Deutschen, an den fürs erste Siegerfoto posierenden Johannes Rydzek, Eric Frenzel und Björn Kircheisen vorbeischritt — mit besagtem Blick.
„Es ist schon beeindruckend, wie gut die Deutschen drauf sind“, sagte Tim Hug kurze Zeit später, während die Deutschen die Hymne und ihren historischen Vierfachsieg genossen. „Es wäre schon schön, wenn die eine oder andere Nation dagegenhalten würde. Ein Norweger, ein Österreicher oder der Finne Ilkka Herola könnten den Deutschen eine Medaille stehlen.“ Am Mittwoch (11/15.15 Uhr/ARD und Eurosport) geht es im Einzel von der Großschanze und über anschließend zehn Kilometer um Gold, Silber, Bronze und die Frage: siegt Deutschland die Nordische Kombination kaputt?
„Der erste Wettkampf der Kombinierer verkam zu deutschen Meisterschaften“, schrieb die „Luzerner Zeitung“. Bei der Presserunde der Österreicher, bei denen der Schweizer Tim Hug mit trainieren darf, war gestern das große Thema, wie groß der Rückstand auf die traditionelle deutsche Doppelspitze Rydzek/Frenzel sein wird und ob es vielleicht für Bronze reicht.
Medaillenhoffnung Bernhard Gruber (34) sieht es ganz pragmatisch: „Die Deutschen sind einfach unheimlich stark im Antritt, einfach super aufgestellt. Sie springen gut, sie laufen gut.“ Kein Gejammer der Konkurrenz. Aber spannend ist anders. Die deutsche Dominanz ist Gift für die ohnehin schon kriselnde Königsdisziplin des nordischen Sports. Im ersten Einzel stellten sich 19 Nationen dem Wettbewerb; aber nur elf Länder bekamen im von Deutschland gewonnenen Team-Wettbewerb vier Männer an den Start.
Ronny Ackermann, Co-Trainer der Seriensieger, sagte grundsätzlich: „Wenn mehrere Nationen um Siege kämpfen, ist es immer besser. Aber das ist selten der Fall. Meist sind es nur eine Handvoll Nationen, die ganz vorne mitmischen können.“ Im Moment ist es eine Handvoll Athleten — aus einer Nation. Die glorreichen Vier Man dürfe das zweite Einzel nicht nur auf einen Zweikampf runter brechen, sagte Doppel-Doppelweltmeister Rydzek am Montag. „Auf der Großschanze sind doch noch einige andere, die ihre Stärken dort besser ausspielen können.“
Nicht nur aus Gefälligkeit dem österreichischen Fragesteller gegenüber sagte er: „Die jungen Österreicher sind jetzt schon gefährlich, mal schauen, wo die Entwicklung hingeht.“ Mal schauen, ob es dennoch wieder deutsche Meisterschaften werden. Am Start sind jedenfalls die glorreichen Vier — Rydzek, Frenzel, Björn Kircheisen und Fabian Rießle. Das Sprungtraining ließen sie gestern aus, drehten im Nebel nur ein paar lockere Runden in der Loipe.
„Die Jungs brauchen nach den anstrengenden Tagen eine Pause“, sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch. Anstrengend sind diese Tage vor allem für das Duo Rydzek/Frenzel wegen den wiederkehrenden Fragen zu ihrer Titeljagd. Dass nur einer der beiden viermaligen Weltmeister am Mittwoch die goldene Fünf einfahren könnte, „spielt bei mir keine Rolle“, versicherte Eric Frenzel glaubhaft. „Wenn ich nach meiner Karriere mal sagen kann, ich habe den einen oder anderen Rekord aufgestellt, wäre das toll. Aber es wird nichts für die Ewigkeit sein.“ Auch nicht die deutsche Dominanz.