Das System Schuster: Chefcoach sieht erste Erfolge
Frankfurt/Main (dpa) - Der Jubel war kurz, die Party fiel aus: Bereits um fünf Uhr wurde Weltcupsieger Severin Freund am Morgen aus seinen Träumen gerissen, kurz darauf saß Deutschlands neuer Top-Skispringer mit seinen Kollegen im Flieger von Japan gen Heimat.
Viel Zeit zum Feiern bleibt auch dort nicht, denn schon am 19. Januar zieht die Karawane nach Zakopane weiter. Am kommenden Wochenende muss der 22-Jährige gegen die vollzählig versammelte Weltelite beweisen, dass der Sieg von Sapporo keine Eintagsfliege war.
Bundestrainer Werner Schuster traut seinem Schützling zu, sich dauerhaft in den Top Ten zu etablieren. „Er ist in einer Liga, wo er seit Jahren hin will. Er weiß, wenn ich alles richtig mache, putze ich die anderen weg. Das ist ein neues Gefühl, da muss er langsam reinwachsen. Er hat das Potenzial dafür“, sagt Schuster.
Freunds Aufstieg ist auch ein erster sichtbarer Erfolg für den Coach aus Österreich. Der hat seit seinem Amtsantritt im Frühjahr 2008 immer wieder betont, aus talentierten Nachwuchsspringern Siegertypen formen zu wollen. Um dies zu erreichen, hat Schuster ein neues System installiert - auch gegen Widerstände im Deutschen Skiverband (DSV).
„Wir müssen schlanker werden von der Kaderstruktur, brauchen eine Mischung zwischen einem Kadersystem und einem Stützpunktsystem. Aber das Entscheidende ist, dass die Stützpunkttrainer und die Kadertrainer in die gleiche Richtung arbeiten. Da muss man alle von der Philosophie her auf die gleiche Linie bringen“, sagt Schuster. Dabei hat er sich in den ersten zwei Jahren viele Beulen geholt. „In Zukunft wird das leichter sein, weil sich das immer mehr streut“, meint der 41-Jährige.
Im Fall von Freund funktioniert es bereits perfekt, weil Heimtrainer Christian Winkler mit Schuster an einem Strang zieht. „Bei Freund ist es eine Mischung aus Kader- und Stützpunktsystem, wo der Heimtrainer die Philosophie mitträgt und sich die Qualität am Ende durchsetzt. Es ist schön, dass unser System greift“, erklärt Schuster.
Wenn Freund nicht auf Auswahllehrgängen weilt, fährt er für zwei, drei Tage in der Woche von seinem Wohnort München zum Training nach Oberstdorf. „Die Kontinuität in der Zusammenarbeit mit Christian Winkler, der fantastische Arbeit macht, hat definitiv den Erfolg gebracht. Da muss man den Hut ziehen“, lobt der Bundestrainer.
Im Sommer hat Schuster seinen Schützlingen zudem neue Wege im Athletik-Training aufgezeigt und auf dem Bindungssektor aggressiv testen lassen. Beides wurde von Freund angenommen, der nun die ersten Früchte der Arbeit erntet. „Er war mein Testpilot und hat von Beginn an super mitgezogen. Speziell mit der neuen Athletik-Konzeption haben wir viel Staub aufgewirbelt“, berichtet der Chefcoach, der im Verband mittlerweile freie Hand hat.
Entsprechend zuversichtlich ist er, sein ehrgeiziges Ziel zu erreichen. Bis 2014 will er Deutschland, wie zu den besten Zeiten von Martin Schmitt und Sven Hannawald, wieder zur Top-Nation machen. „Gewisse Dinge, die wir im Verband angepackt haben, werden erst in einigen Jahren wirksam sein. Die Hintergrundarbeit läuft besser denn je. Wir sind gefordert, geduldig zu bleiben“, sagt Schuster.