Freund will wieder Gefühl des Sieges auskosten
Kuusamo (dpa) - Severin Freund ist der größte Hoffnungsträger im Team der deutschen Skispringer. Als Belastung empfindet er dies jedoch nicht. Ruhig und abgeklärt will sich der Bayer in der am Samstag beginnenden Saison in der Weltspitze etablieren.
Das süße Gefühl des Sieges hat Severin Freund süchtig nach weiteren Erfolgen gemacht. „Wenn man ganz oben steht, ist das ein Gefühl wie Halleluja. Ich werde alles dafür geben, dass ich solche Sachen noch mal erleben kann“, sagt Deutschlands derzeit bester Skispringer vor dem Weltcup-Auftakt im finnischen Kuusamo.
Mit seinen Weltcupsiegen in Sapporo und Willingen katapultierte sich der 23 Jahre alte Bayer im vergangenen Winter in die Weltspitze. Während der Premierenerfolg einfach passierte, war der Triumph im deutschen Skisprung-Mekka gemacht und daher sehr bedeutend für Freunds weitere Karriere. „Es ist verdammt hilfreich, wenn man so etwas erlebt hat wie in Willingen. Dass man führt nach dem ersten Durchgang, als Letzter oben sitzt und das Ding dann nach Hause bringt. Das kann in der Zukunft für solche Momente richtig helfen“, erklärt Freund.
Als Selbstläufer sieht er künftige Erfolge jedoch nicht an. „Es wäre schön, wenn es überhaupt noch mal mit einem Sieg klappt. Das ist etwas, das man nicht als selbstverständlich nehmen darf“, betont Freund. Das klingt nach Understatement, aber man nimmt es ihm ab. Denn trotz des Höhenfluges hat der sympathische und intelligente Rotschopf seine Bodenhaftung nicht verloren.
„Ich sehe mich in der Rolle des gefährlichen Außenseiters. Favoriten sind solche Leute wie Gregor Schlierenzauer oder Thomas Morgenstern. Die haben schon Weltcups in Serie gewonnen. So weit war ich letztes Jahr nicht und so weit bin ich wahrscheinlich auch im Moment noch nicht“, warnt Freund vor übertrieben Erwartungen. Fast im gleichen Atemzug betont er aber kämpferisch: „Natürlich ist es das Ziel, irgendwann mal dahinzukommen.“
Seiner neuen Rolle als Nummer 1 im deutschen Team ist sich Freund bewusst, öffentlich weist er sie jedoch von sich. „Mir ist das relativ egal. Wichtig ist, dass es vorwärtsgeht und ich mit guten Ergebnissen aus der Saison herauskomme“, sagt er. Dass sich seine Situation seit dem Durchbruch gravierend verändert hat, verdeutlicht jedoch diese Aussage: „Letztes Jahr hatte ich keinen Druck. Klar werden die Erwartungen größer, aber den größten Druck macht man sich selbst. Ich versuche, locker zu bleiben.“
Im Sommer ist ihm dies nach eigener Aussage ganz gut gelungen. „Ich habe Momente gefunden, vom Kopf her abzuschalten“, berichtet Freund. Nach einem Urlaub in Kroatien, wo er den Akku auffüllte, trieb er sein Bachelor-Studium für Internationales Management voran. „Im Winter fällt es schwer, sich dazu aufzuraffen. Da mache ich nix“, räumt er ehrlich ein.
Von November bis März gehört die volle Konzentration dem Sport, auch wenn der Kopf ab und zu mal abschalten müsse. „Du kannst viel über das Springen nachdenken, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, wo du nicht mehr schlauer wirst“, sagt Freund.
Bestimmte Entwicklungen seien ohnehin kaum zu erklären. „Die Faszination am Skispringen ist doch, dass man Kleinigkeiten verändert, die dann riesige Auswirkungen haben. Andersherum passiert es, dass man einen Fehler macht und denkt, was ist das denn. Deshalb muss man immer an seinem Sprung weiterarbeiten“, erklärt Freund und fügt lächelnd hinzu: „Und da fallen mir noch genug Baustellen ein, wo ich mich verbessern kann.“