Vor Vierschanzentournee Plötzlich Favorit: Freitag und Co. in „Superposition“

Titisee-Neustadt (dpa) - Der eigentlich beste Mann ist verletzt. Doch auch ohne Severin Freund bringen sich die deutschen Skispringer bestens in Position für ein Jahr voller Highlights.

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Es blieb ein Bild, das der Konkurrenz Angst machen musste. Nachdem sie Neuschnee, Regen und schwierigsten Windbedingungen getrotzt hatten, ballten Richard Freitag und Andreas Wellinger auf der Naturschanze von Titisee-Neustadt synchron die rechte Faust und brüllten ihre ganze Freude über den nächsten Doppelsieg der deutschen Skispringer hinaus. Der gemeinsame Jubel von Sieger Freitag - mit markantem Schnauzer und Gelbem Trikot noch eindrucksvoller - und seinem bayerischen Teamkollegen war auch ein Zeichen an alle Gegner: Wir sind bereit für die großen Aufgaben in diesem Olympia-Winter.

Das neue Führungsduo lässt auch Bundestrainer Werner Schuster drei Wochen vor Beginn der Vierschanzentournee auf Großes hoffen. „Richard und Andreas sind schon sehr, sehr stark. Ich finde es genial, dass wir in dieser Position sind“, sagte Schuster. Nach knapp zehn Jahren Amtszeit weiß keiner so gut wie er, wie schnell sich im Skispringen die Situation wieder ändern kann. Doch eines ist den DSV-Adlern nach dem zweiten Doppelerfolg innerhalb von acht Tagen nicht mehr zu nehmen. „Ich bin jetzt mal superhappy, dass wir zwei Leute in einer Superposition haben. Die haben jetzt einfach Selbstvertrauen“, sagte Schuster.

Bei der Pressekonferenz zeigten sich der 26-jährige Freitag und der vier Jahre jüngere Wellinger bestens gelaunt. „Was soll ich jetzt sagen? Nee!“, antwortete Freitag auf die Frage, ob die Fans in diesem Winter einen neuen Richard Freitag sähen. In den jüngsten Erfolgen, die die DSV-Adler auf den Schanzen lange nicht mehr so vorzuweisen hatten, spiegelt sich auch die Leichtigkeit eines funktionierenden Teams wider.

„Wenn man in Form ist und das Gefühl hat, dann kann man locker drauf losspringen, und das ist im Skispringen meistens am besten“, sagte Wellinger. Alle profitierten von einem starken Team. „Bei uns kann man sich an den anderen orientieren und das Beste geben, dass man auch an die anderen hinkommt“, fügte der Mixed-Weltmeister an. Schuster selbst scheint derzeit ein Trainer ohne Sorgen. „Im Moment bin ich heilfroh, dass ich Richard und Andi habe, aber auch eine starke Mannschaft und ein gutes Klima“, sagte er.

Die Wind- und Wetterlotterie in Titisee war für die DSV-Springer auch eine Reifeprüfung. Stundenlanges Warten, wechselnde Winde und über 20 Zentimeter Neuschnee machten es den Athleten im Schwarzwald nicht leicht. Für die Deutschen kam gestiegener Druck nach zwei Siegen im russischen Nischni Tagil in der Vorwoche dazu. „Ich bin natürlich sehr froh, dass das so ausgegangen ist. Windspringen waren nicht immer unsere Domäne in der Vergangenheit“, sagte Schuster.

Dass die extremen Rückenwindverhältnisse für die letzten Athleten, darunter Freitag und Wellinger, nachließen, nutzten seine Springer hervorragend aus. Freitag flog auf die Tagesbestweite von 145 Metern, Wellingers Sprung auf 139 Meter reichte für Rang zwei. „Man kann an dem Tag auch unverschuldet Punkte verlieren, jetzt haben wir Punkte gewonnen, das ist natürlich eine Riesensache“, kommentierte der Coach.

Vor der ganz großen Prüfung bei der Tournee dürfen sich Freitag und Co. nun noch in Engelberg in der Schweiz beweisen. Wächst als Favorit nun der Druck? „Der Druck wäre so oder so da gewesen. Aus der Position ist das deutlich angenehmer“, meinte Schuster mit Blick auf bereits drei Saisonsiege seiner Athleten.