Abschiebung auch in Kriegsgebiete?
Ansbach/München/Berlin (dpa) - Nach dem mutmaßlich islamistisch motivierten Bombenattentat von Ansbach schließt Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) die Abschiebung gewalttätiger Flüchtlinge in Kriegsgebiete nicht mehr aus.
„Bislang bestand Konsens, dass man abgelehnte Asylsuchende nicht in ein Kriegsgebiet abschiebt“, sagte er dem „Münchner Merkur“. Aber man müsse ernsthaft überlegen, wie Personen künftig behandelt werden, die mit dem Gesetz in Konflikt gekommen seien. Zugleich kündigte Seehofer eine signifikante Personalaufstockung bei der Polizei an.
Bei einer Klausur des bayerischen Landeskabinetts am Tegernsee standen weitere Konsequenzen aus dem Bombenattentat in Ansbach auf der Tagesordnung, ebenso wie die Axt-Attacke in einem Zug bei Würzburg und der Amoklauf in München.
Die Innenminister von Bund und Ländern verständigten sich indessen darauf, die Polizeipräsenz bei ausgewählten Veranstaltungen zu erhöhen. Veranstalter sollten zudem prüfen, wie sie Veranstaltungskonzepte optimieren und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahmen ergreifen können. Zudem solle die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Fahndung im Internet ausgebaut werden.
Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) forderte schärfere Sicherheitsüberprüfungen von Flüchtlingen. Alle Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, sollten so schnell wie möglich erkennungsdienstlich behandelt werden, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch Seehofer forderte eine nachträgliche Überprüfung bereits eingereister Flüchtlinge. „Wir müssen wissen, wer im Land ist“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“.
Zum Täter von Ansbach liegen laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) jedoch keine Erkenntnisse in sicherheitsrelevanten Datenbanken vor. Dies sei im Rahmen des Asylverfahrens abgeglichen worden, hatte der Minister am Montag erklärt. Der Täter war ein Flüchtling aus Syrien und bereits vor zwei Jahren nach Deutschland gekommen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er hätte nach Angaben der Ermittler nach Bulgarien abgeschoben werden sollen.
Der Mann hatte am Sonntag eine Bombe nahe einem Konzert gezündet. Er kam ums Leben, 15 Menschen wurden verletzt. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen und prüft, ob der 27-Jährige Mitglied in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) war. Nach Erkenntnissen der Behörden legt dies ein Bekennervideo auf dem Handy des Mannes nahe. Das IS-Sprachrohr Amak veröffentlichte in der Nacht ebenfalls ein vermeintliches Bekennervideo des Täters. Die Echtheit des Videos ließ sich zunächst nicht überprüfen.
Die europäische Polizeibehörde Europol schätzt generell die Zahl potenzieller islamistischer Terroristen in Europa auf mehrere Hundert. Das teilte Europol auf Anfrage der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ mit. Allerdings nutze die Terrororganisation IS die Flüchtlingsbewegung nicht systematisch, um Terroristen in die EU einzuschleusen. „Mitglieder terroristischer Gruppen oder zurückkehrende ausländische Kämpfer mit EU-Pass reisen in der Regel mit echten oder gefälschten Pässen in die EU ein - und verlassen sich nicht auf Schlepperbanden für Flüchtlinge“, hieß es.
Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster forderte eine konsequentere Abschiebung abgelehnter Asylbewerber. „Wir brauchen eine Abschiedskultur“, sagte er der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“. „Für manche entsteht der Eindruck, sie könnten sich alles erlauben, weil sie gar nicht verstehen, wie milde der Staat bei Gesetzesverstößen reagiert“, sagte Schuster.
De Maizière wandte sich gegen eine Vorverurteilung muslimischer Flüchtlinge. „Wir wissen, dass Flüchtlinge weder Heilige noch Sünder sind“, sagte er am Montagabend im ZDF. Man könne aber nicht sagen, dass von ihnen eine besondere, hohe Gefahr ausgehe. Er könne auch nicht „erkennen, dass unsere deutsche Bevölkerung voller Angst ist“.
Der Anschlag von Ansbach oder der Amoklauf von München sind nach Einschätzung des Leipziger Psychiaters Ulrich Hegerl etwa nicht mit einer Depression der Täter zu erklären. Der Direktor der psychiatrischen Klinik am Uniklinikum Leipzig sagte im Deutschlandradio Kultur: „Depressionen führen nicht dazu, dass man aggressiv gegen andere wird.“ Damit jemand aggressiv gegen andere werde, müssten andere Erkrankungen vorliegen. „Eine Persönlichkeitsstörung zum Beispiel kann eine Rolle spielen.“