Experten reagieren entnervt Alles nicht so einfach: Trump in den Fallstricken der Justiz

Washington (dpa) - Irgendjemand muss Donald Trump gesteckt haben, dass das nicht so einfach ist mit Guantánamo. Noch am Mittwoch wollte er den Attentäter, der mit seinem Pick-Up in New York acht Menschen getötet hat, in das berüchtigte Straflager für Terrorverdächtige auf Kuba stecken.

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Über Nacht fiel dem Präsidenten dann ein anderer Weg ein, wie er sich als Chef der Exekutive mal eben über das Prinzip der Gewaltenteilung und die richterliche Unabhängigkeit gleichermaßen hinwegsetzen konnte: Er forderte die Todesstrafe, wohl auch, um die große Haudrauf-Fraktion in seiner Wählerschaft zu erfreuen.

Beides lässt Juristen in den USA die Haare zu Berge stehen. Schon Minuten nachdem Trump gesagt hatte, eine Überstellung nach Guantánamo werde er sicherlich in Erwägung ziehen, fingen in den Hinterzimmern des Weißen Hauses seine Helfer an, zurückzurudern. Es sei „nur eine Option“ gewesen, hieß es hinter vorgehaltener Hand.

Die das sagten, wussten, auf welch buchstäblich vermintes Gebiet sich der Präsident - wissentlich oder blauäugig - gerade begeben hatte. Das rechtliche Fundament für Guantánamo, nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 eingerichtet, steht bis heute nicht. Trumps Vorgänger Barack Obama scheiterte mit seinem Bemühen, das Lager aufzulösen, unter anderem an Rechtsfragen. Und Obama ist Jurist.

Noch nie haben die USA einen Straftäter oder Verdächtigen nach Guantánamo geschickt, der eine Straftat auf US-Boden verübt hat. Lediglich einmal wurde ein Mann dorthin geschickt, der zwar woanders ein Verbrechen verübt hatte, aber in den USA festgenommen wurde. Bis heute steht eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in Washington aus, ob dies rechtmäßig war. „Wer einen Festtag für Verfassungsrechtler schaffen will, der muss diesen Weg gehen“, resümierte die „Washington Post“.

Trump machte verbal noch in der Nacht auf dem Absatz kehrt und befand, es sei ja viel besser, den Attentäter - „dieses Tier“, wie er ihn nannte - dort zu verurteilen, wo er die schlimme Tat begangen hatte - eine Idee, die sein Vorgänger Barack Obama einst für den 9/11-Drahtzieher Scheich Khalid Mohammed geboren hatte. Außerdem sei der Weg, ihn vor ein ordentliches Bundesgericht zu stellen, viel schneller und effektiver als der Umweg über die Militärjustiz.

Jene ordentliche Gerichtsbarkeit, die Trump tags zuvor noch als „Witz“ und „Lachnummer“ bezeichnet hatte. Jene Gerichtsbarkeit auch, deren führende Juristen er bei anderer Gelegenheit als „sogenannte Richter“ lächerlich gemacht hatte. Jene Gerichtsbarkeit andererseits aber auch, die er ganz großartig findet, weil er in den vergangenen neun Monaten Dutzende konservativer Bundesrichter eingesetzt hat.

Dass Trump dann gleich die Todesstrafe für den Mann forderte, dessen Fall noch längst nicht ausermittelt ist und dessen Anklage gerade einmal ein paar Stunden alt ist, empfanden Juristen als ungeschickt. Er tat es nicht zum ersten Mal.

Im Wahlkampf hatte sich Trump in die Ermittlungen gegen den mutmaßlichen Fahnenflüchtling Bowe Bergdahl eingemischt, der in Afghanistan seine Einheit verlassen hatte. Die Anwälte des Mannes, den Trump einen „dreckigen, verdorbenen Verräter“ nannte, nehmen die Äußerungen des Präsidenten und Oberbefehlshabers der US-Armee inzwischen als Argument, dass ihrem Mandanten ein faires Verfahren verweigert wird.

Bestenfalls sind Trumps missglückte Äußerungen als Versuch zu werten, den Abschreckungsdruck auf Terroristen zu erhöhen. Justizminister Jeff Sessions machte am Donnerstag deutlich, dass die US gewillt sind, alle rechtlich verfügbaren Schritte zu gehen, um die volle Härte des gesetzlich Machbaren gegen Terroristen auszuschöpfen. „Wenn jemand daran irgendwelche Zweifel hat, dann kann er die über 500 Kriminellen fragen, die das Justizministerium seit dem 11. September 2001 verurteilt hat, und er kann die mehrere Dutzend feindlichen Kämpfer fragen, die in Guantánamo Bay sitzen“, sagte Sessions.

Der republikanische Senator Lindsey Graham warf Trump sogar vor, zu schwach reagiert zu haben. Der Attentäter von New York hätte zunächst bis zu 30 Tage ohne Anwalt verhört werden müssen, um wichtige Informationen zum Islamischen Staat aus ihm herauszupressen. Trump habe einen „riesigen Fehler“ begangen, diese Chance vorüberziehen zu lassen. Ihm ging es um Informationen. Trump ging es wohl nur um Bestrafung - und um den Applaus seiner Anhängerschaft.

„Gottseidank hat das Justizministerium, wie auch das Pentagon, gelernt, Trump zu ignorieren“, schrieb die „Washington-Post“-Kommentatorin Jennifer Rubin. Die Justiz in New York schreitet mit dem Verfahren gegen den mutmaßlichen Terroristen längst in geordneter Form voran.