Analyse: Banken-Aufsicht ringt um Ansehen und Vertrauen
Frankfurt/Main (dpa) - Es sollte alles besser werden. Ein harter Krisentest für Europas Banken, so das Kalkül, soll die Märkte beruhigen und die junge Londoner Aufsichtsbehörde EBA etablieren.
Doch es hagelt Kritik - spätestens seit klar wurde, dass die EBA ausgerechnet dem Vorzeigeinstitut der deutschen Landesbanken Probleme macht: Der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Das Frankfurter Institut wäre nach EBA-Kriterien durchgefallen, obwohl die Bank solide dasteht. Nun macht der Stresstest vor allem den Aufsehern Stress: Die EBA ringt um Glaubwürdigkeit. Bundesbank und Bafin bemühten sich am Freitag bei Veröffentlichung der Ergebnisse, die Wogen zu glätten - räumten aber zugleich Verbesserungsbedarf ein.
Ob bei Aufsehern, Bankenvertretern, Politikern oder Ökonomen: Das Ansehen der EBA in Deutschland ist schon nach ihrer ersten großen Bewährungsprobe ramponiert. Bafin-Präsident Jochen Sanio urteilte im Jahresbericht der Bonner Finanzaufsicht, die EBA habe „ohne jede gesetzliche Zuständigkeit, geschweige denn Legitimation ... eine neue Eigenkapitaldefinition gestrickt“. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Heinrich Haasis, schimpfte: „Hier werden willkürliche Maßstäbe angelegt, um politisch erwünschte Ergebnisse zu erzielen.“
Hessens Justiz- und Europaminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) ließ ausrichten: „Wer Vertrauen im Bankensektor schaffen will, sollte an seiner eigenen Glaubwürdigkeit keine Zweifel lassen. Die Europäische Bankenaufsicht hat aber genau dies getan. Sie hat mitten im Spiel die Regeln geändert. Es gehört nicht viel dazu, um dies als Angriff auf die deutschen Landesbanken zu werten.“
Und der Kölner Bankenprofessor Thomas Hartmann-Wendels nennt es schlicht einen „Witz“, dass sich die EBA für ihre Angriffe ausgerechnet die Helaba, „das Schmuckstück unter den deutschen Landesbanken“, ausgesucht hat. Die noch junge Behörde wolle mit einem möglichst harten Vorgehen eine Duftmarke setzen: „Dafür braucht es natürlich Durchfaller. Deshalb müssen die Ergebnisse in diese Richtung gebogen werden“, sagt Hartmann-Wendels.
Die EBA erklärte am Freitag in London: „Fast alle teilnehmenden Banken haben sich beschwert.“ Bundesbank-Vizepräsidentin Sabine Lautenschläger nahm die junge Behörde in Schutz: „Zum Schluss ist es einfach schwierig, bei 21 Teilnehmerländern eine absolute Vergleichbarkeit herzustellen. Da bleiben die einen oder anderen nationalen Besonderheiten auf der Strecke.“ Bafin-Vertreter Raimund Röseler sekundierte: „Ich möchte die EBA auch ein bisschen in Schutz nehmen.“ Ein so großer Test in relativ kurzer Zeit sei nun einmal schwierig durchzuführen.
Lautenschläger und Röseler stellten jedoch auch klar, es werde eine deutlich „Manöverkritik“ unter den Aufsehern geben. „Eine Diskussion über die Ziele des Stresstests ist erforderlich“, sagte Lautenschläger. Den deutschen Aufsehern ist vor allem die detaillierte Veröffentlichung der Einzelergebnisse ein Dorn im Auge.
Die European Banking Authority (EBA) arbeitet offiziell seit dem 1. Januar 2011. Oberstes Ziel: Die Verhinderung von Finanzkrisen. Den Auftrag nahm die Behörde ernst - erst Recht nach der harschen Kritik am letzten großen Bankenstresstest 2010. Zu lasch, „Persilschein“, „reine Show-Veranstaltung“ lauteten damals die Vorwürfe. „Der Stresstest hat Leichen für tot erklärt“, bilanzierte damals Volkswirt Daniel Gros, Leiter des Centre for European Policy Studies (CEPS).
Tatsächlich waren 2010 nur Institute durchgefallen, von denen es erwartet wurde: Fünf spanische Sparkassen, eine griechische Bank und der mit Steuermilliarden gerettete Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE). Dagegen kamen irische Banken durch, die wenig später mit staatlichen Milliarden vor dem Kollaps gerettet werden mussten.
In diesem Jahr kamen alle deutschen Institute durch, wenngleich zwei nur knapp: HSH Nordbank und Nord/LB. Die Helaba-Ergebnisse veröffentlichte nur das Institut selbst, die nationalen Aufseher betonten jedoch, auch diese Landesbank habe gut abgeschnitten.
Insgesamt fielen beim europaweiten Stresstest acht Banken durch, darunter fünf spanische. Aus Spanien prasselte Kritik auf die EBA: Die Geldhäuser hätten den Test nur deswegen nicht bestanden, weil spezielle Rücklagen nicht berücksichtigt worden seien. Diese sind Besonderheit des spanischen Finanzsystems. Spaniens Zentralbank stellte sogleich klar: Die fünf Banken brauchen kein frisches Kapital.
Größte Sorge der Stresstest-Kritiker: Dass Investoren die Ergebnisse ernster nehmen als erhofft. „Es könnte sein, dass die Wackelkandidaten kaputt geredet werden“, warnt der Ökonom Hartmann-Wendels. Analysten von Morgan Stanley erklärten, wer nur knapp bestanden habe, werde künftig von Investoren „intensiv“ unter die Lupe genommen werden.
Im Fall der Helaba halten Kunden und Investoren trotz des Wirbels um ein mögliches Durchfallen des Instituts bislang die Füße still, wie zu hören ist. Auch von Ratingagenturen droht wie es aussieht kein Ungemach: Nach Einschätzung von Moody's von Anfang Juli decken die Tests ohnehin größtenteils nur Schwächen auf, die die Bonitäts-Prüfer in ihren Einschätzungen bereits berücksichtigt haben. Nach mehr Transparenz klingt das nicht.