Analyse: Beginnt die Eurokrise von vorn?
Athen (dpa) - Nach der erfolglosen Wahl eines Präsidenten hat nun das Volk das Wort. Im Wahlkampf steht ein Duell zwischen Reformern und Gegnern des Sparkurses an. Ausgang ungewiss.
Finanzpolitischer Stress ohne Ende in Athen: Das Parlament konnte auch im dritten Wahlgang keinen neuen Präsidenten wählen. Die Verfassung sieht in diesem Fall vorgezogene Wahlen vor. Nun hat das griechische Volk das Wort. Am 25. Januar soll es entscheiden, wer das von der Pleite bedrohte Land führen soll. Viele sprechen von einem „Showdown“ zwischen dem konservativen noch amtierenden Regierungschef Antonis Samaras mit dem Chef der Linken Alexis Tsipras.
Tsipras hat sein erstes Ziel erreicht. Er benutzte die Wahl eines Präsidenten im Parlament als Hebel, um die vorgezogene Wahl zu erzwingen. Diese erste Machtprobe hat er für sich entschieden. Jetzt will er auch die Wahlen gewinnen. Wenn er an die Macht kommt, sollen seinen Worten zufolge „die Märkte nach der Musik Griechenlands tanzen“ und nicht wie bisher umgekehrt. Tsipras will auch einen Schuldenschnitt. Und die Privatisierungen stoppen. Entlassene Staatsbedienstete sollen wieder eingestellt werden. Und Löhne und Renten wieder steigen.
Seine Gegner - allen voran Samaras - bezeichnet er als „Merkelisten“, die das Spardiktat aus Berlin in die Tat umsetzen. Tsipras setzt auf die Stimmen von Millionen Griechen, die im Zuge der Sanierung, der Reformen und der Sparprogramme in den vergangenen vier Jahren ihre Arbeit verloren haben, ihr Einkommen um 25 Prozent schrumpfen sahen und die jungen Leute. Jeder Zweite von ihnen ist ohne Arbeit.
Analysten bemerken jedoch, dass Tsipras früher oder später von der Realität eingeholt werden wird. Ohne Einigung mit den Geldgebern wird schon Anfang März Ebbe in Athens Kassen sein.
Der konservative Noch-Regierungschef Antonis Samaras warnt: Alle Bemühungen der Griechen könnten bei einer falschen Entscheidung verloren gehen. Er setzt auf die Stimmen der Mittelklasse, die Angst vor noch schlimmeren Zuständen hat. Es wäre schlimm, wenn Griechenland ausgerechnet jetzt wieder zurück in die Krise geraten würde, betont Samaras immer wieder: „Ich bin hier, um zu garantieren, dass Griechenland den sicheren Hafen erreicht“.
Finanzminister Gikas Hardouvelis fühlt den Puls der Märkte und weiß was noch kommen könnte. „Anfang März könnten wir ein Problem haben“, sagte er am Montagnachmittag. Das griechische Hilfsprogramm läuft Ende Februar aus. Banker in Griechenland sprechen seit Wochen von ihrer Angst vor einem „Bank Run“. Aus diesem Grund sorgen sie dafür, dass alle Bankautomaten ausreichend mit Geld bestückt sind. Schon einige wenige defekte oder leere Bankautomaten könnten eine Panik auslösen, sagt ein Bankdirektor aus der Athener Vorstadt Peristeri.
Was die Märkte wollen, wurde sofort nach der Ankündigung der vorgezogenen Wahlen klar. Die griechische Börse sackte nach der missglückten Präsidentenwahl um bis zu elf Prozent ab.
Umfragen deuten auf einen harten Kampf zwischen Tsipras und Samaras hin. Das Linksbündnis von Tsipras hat zwar die Nase in allen Umfragen vorn. Doch Demoskopen zufolge schrumpft dieser Vorsprung.
Aus Brüssel kamen schon erste Ratschläge für die Griechen: „Ein starkes Bekenntnis zu Europa und breite Zustimmung (...) für den nötigen wachstumsfreundlichen Reformprozess“ sei entscheidend, damit das Land „wieder innerhalb der Eurozone florieren“ könne, teilte EU-Wirtschafts- und Finanzkommissar Pierre Moscovici mit. Interventionen dieser Art könnten aber nach Ansicht einiger Beobachter in Athen eher das Gegenteil bewirken.