Analyse: Club steht vor vielen Fragen
München (dpa) - „Fassungslosigkeit - das ist die Stimmung hier“, sagt eine Mitarbeiterin in der Münchner ADAC-Zentrale. Das Bekanntwerden der Manipulationen beim Autopreis „Gelber Engel“ hat schwer auf die Stimmung beim größten Autoclub Europas geschlagen.
„Die Stimmung der Mitarbeiter ist sehr schlecht, es herrscht ein großes Maß an Aufregung“, räumt auch ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair ein. Er will alles tun, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen - intern und extern. Umfassende Aufklärung und größtmögliche Transparenz soll es nun geben.
Mit einem holprigen Krisenmanagement hatte der ADAC-Boss zuvor für Verwunderung gesorgt. Nach dem ersten Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ über Mauscheleien bei der Wahl des VW Golf zum Lieblingsauto sprach Obermair noch harsch von „Unterstellungen und Unwahrheiten“.
Dann musste Michael Ramstetter (60), ADAC-Kommunikationschef und Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift „Motorwelt“, am vergangenen Freitag seinen Hut nehmen. Nach tagelangem Hinhalten gab er schließlich zu, bei der Wahl des Lieblingsautos durch die „Motorwelt“-Leser die Teilnehmerzahl frisiert zu haben. Aber immer noch hielt der ADAC das Debakel unter der Decke. Erst nach einem Bericht der „Bild am Sonntag“ verschickte der ADAC am Wochenende eine Pressemitteilung. Und versprach lückenlose Aufklärung.
Am Montag endlich eine Pressekonferenz: „Das ist ein sehr schwieriger Moment für den ADAC“, sagt Obermair. Und er entschuldigt sich bei den Medien für seine „überzogenen Aussagen“ vom vergangenen Donnerstag zu den Vorwürfen der „Süddeutschen Zeitung“. Da hatte er nämlich noch gespottet, immerhin seien die vier Buchstaben des ADAC richtig geschrieben gewesen. Diese ganzen Äußerungen seien zu dem Zeitpunkt „in der festen Überzeugung erfolgt, dass sich die in der "Süddeutschen Zeitung" erhobenen Manipulationsvorwürfe als substanzlos erweisen“ würden, heißt es am Montag in einer ADAC-Mitteilung. Politikberater Michael Spreng nennt das Krisenmanagement des ADAC katastrophal.
Und dann ist nicht nur bei den Zahlen für 2013, sondern auch in den Jahren davor beim Lieblingsauto der Deutschen geschummelt worden, wie Obermair am Montag eingesteht. Was heißt das für die Glaubwürdigkeit des ADAC als Verbraucheranwalt und Auftraggeber der vielen Tests? „Auch die Pannen- und Tunnelstatistik müsste man jetzt untersuchen“, meint Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen.
Dieser Verdacht trifft die Kommunikationsabteilung des ADAC hart. Sprecherin Marion-Maxi Hartung betont, beim Tunneltest oder auch beim Fährentest habe man sich stets externe Experten geholt, auch die Methodik der Tests sei offengelegt worden. Die Tunneltests gebe es seit 1999, und die Tunnelbetreiber hätten Hinweise auf Mängel dankbar aufgenommen. „Ich glaube, dass die Tunnelsicherheit in Europa sich seitdem extrem verbessert hat“, sagt Hartung. „Da sind wir stolz drauf.“ Dennoch sollen nun alle Zahlen und Statistiken überprüft werden, auch mit externer Hilfe.
Die Tunnel-, Fähren- und Raststättentests sind ohnehin nicht repräsentativ, sondern nur Stichproben - das hat der ADAC immer offen gesagt. Repräsentativ oder nicht - die Tests stoßen in den Medien immer auf große Aufmerksamkeit. Es gehe halt um Themen, die jeden angingen, erklärt sich Hartung das große Medienecho.
Streiten könnte man auch darüber, wie aussagekräftig Mitglieder-Umfragen des ADAC etwa zur Null-Promille-Grenze für Autofahrer sind - wo doch Autofahrer die Hauptklientel sind. Genauso könnte man wohl kaum ein repräsentatives Ergebnis erwarten, wenn man Mitglieder im Schützenverein fragt, ob sie für strengere Waffengesetze sind.
Aber schwerer wiegen andere Zweifel. Muss ausgerechnet der ADAC, der Autotests macht und den Herstellern auch auf die Finger klopfen will, einen Autopreis „Gelber Engel“ vergeben - auch für das beste Eco-Auto, das beste Familienauto, die beste Reiselimousine oder die wertvollste Marke? Muss dann bei der feierlichen Preisübergabe dieser Schulterschluss mit den Chefs der deutschen Autobranche sein, riecht das nicht nach Verbrüderung? Die Stiftung Warentest vergibt ja auch keine Preise für das beste Waschpulver oder die Lieblingsschokolade der Deutschen.
Um mehr Glaubwürdigkeit zu gewinnen, wäre der ADAC nach Ansicht von Kritikern - wie Autoexperte Dudenhöffer - deshalb gut beraten, nach dem Abgang von Ramstetter auch den Autopreis „Gelber Engel“ in der Versenkung verschwinden zu lassen. Denn was ist eine Kür zum Lieblingsauto der Deutschen noch wert, wenn nur 3409 Leser dahinterstehen - statt wie zunächst behauptet - 34 299 Stimmen? Der ADAC steht vor vielen Fragen.